Kreditkriterien oft nicht nachvollziehbar

Banken messen Kreditwürdigkeit zunehmend an pauschal gesammelten Daten. Das geht auf Kosten der Kunden

BERLIN taz ■ Kreditinstitute entscheiden nahezu willkürlich über die Vergabe von Krediten. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) am Mittwoch vorgestellt hat.

Die Kreditinstitute orientieren sich bei ihren Bonitätsprüfungen an Daten, die sie von Auskunftei-Unternehmen wie etwa Schober, EOS, Bürgel, Creditreform oder der Schufa erhalten. Diese Daten beinhalten in der Regel lediglich allgemeine Angaben wie die Wohngegend, den Beruf und den Familienstand. Einen Abgleich mit der individuellen Lebenssituation des Kreditsuchenden nehmen die Unternehmen nicht vor. Für dieses Verfahren hat sich der Begriff Scoring eingebürgert.

Der vzbv hatte 82 Testkandidaten losgeschickt, die in Filialen von zehn verschiedenen Kreditinstituten einen Kredit aushandeln sollten. Sie spiegelten die ganze gesellschaftliche Breite wieder, „von der angestellten Friseurin bis hin zum Ministerialbeamten“, sagte ein vzbv-Sprecher. Ergebnis: Keinem wurde der günstigste Tarif angeboten, der von dem jeweiligen Kreditinstitut beworben wurde.

In 77 Prozent der Gespräche entschieden die Kreditinstitute nach den pauschal von einer der Auskunfteien erhobenen Daten. Dies stellt einen Verstoß gegen geltendes Recht dar. Automatisierte Einzelentscheidungen, bei denen die individuelle Kreditwürdigkeit von pauschalen Daten abhängig gemacht wird, sind nach dem Bundesdatenschutzgesetz verboten. In 30 Prozent der Fälle wurde nicht einmal die Einwilligung der Testkunden zur Schufa-Abfrage eingeholt.

Jeder zweite Testkandidat wurde auch auf Nachfrage nicht darüber informiert, ob und wie seine biografischen Daten bei der Bonitätsprüfung verwendet wurden. Der Bundesverband deutscher Banken wies den Vorwurf der Intransparenz zurück.

Daten- und Verbraucherschützer üben seit langem Kritik an dieser Form der Kreditvergabe. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, sprach von „Kopfnoten, die dem Kunden durch derart undurchsichtige Bonitätsprüfungen ohne Eingriffsmöglichkeiten“ zugewiesen würden – „mit dem Unterschied, dass der Betroffene diese Zeugnisse nicht zu sehen bekommt“. Er wies darauf hin, dass auch in anderen Geschäftsfeldern wie der Versicherungsbranche oder beim Abschluss von Mobilfunk-Verträgen zunehmend anhand automatisierter Einzelentscheidungen verfahren werde.

Schaar sagte, der Gesetzgeber müsse nun „dafür sorgen, dass Transparenz gewährleistet ist und die Kunden vollen Zugang zu ihren Daten bekommen“. Zudem sollten sensible Daten wie etwa Angaben zum Gesundheitszustand, zum ethnischen Hintergrund und zur Wohngegend der Kunden von der Erfassung ausgenommen werden. Der vzbv fordert außerdem, dass Verbraucher generell informiert werden, wenn bei einem Geschäftsabschluss Scoring-Verfahren zur Anwendung kommen.

BORIS KRUSE