Wackel-Wulff contra Jammer-Jüttner

Nach dem Duell der Kontrahenten im NDR-Fernsehen: Anhänger von CDU und SPD feiern ihre Matadoren für die Niedersachsen-Wahl. Beide reklamieren den Sieg für sich, gewonnen hat am Ende der Zuschauer

Sie schmettern das Niedersachsen-Lied und den CDU-Song, Fraktionschef David McAllister begrüßt den „Sieger des heutigen Abends“. Christian Wulff bahnt sich um kurz vor 23 Uhr eine Gasse durch die vielleicht 200 CDU-Anhänger, die den Ministerpräsidenten in einem Restaurant in Hannover feiern wollen. Wulff wirkt erschöpft, aber auch zufrieden: „Bevor da jetzt einige ganz unruhig werden – ein paar Jährchen mach ich noch“, erklärt der Matador einen Spruch aus dem gerade zu Ende gegangenen TV-Duell gegen Wolfgang Jüttner (SPD).

Wulff hatte im NDR gesagt, er wolle noch so lange Regierungschef in Hannover bleiben, wie er vor seinem Wahlsieg 2003 die Oppositionsbank gedrückt hatte. Das wären ja nur noch vier Jahre, die Legislaturperiode dauert jedoch fünf. Ist den CDU-Fans aber jetzt erst mal egal. „Jüttner schien zwar kompetent, aber Wulff hat ihn einfach an sich abprallen lassen“, sagt Stephan Langer. Für ihn und die anderen CDU-Fans ist klar: Der SPD-Spitzenkandidat trat zwar ungewohnt kämpferisch auf, aber am Ende hat Wulff mit seinem staatstragenden Debattier-Stil gewonnen.

Mit Spannung hatten vor allem die Sozialdemokraten das einzige Mattscheiben-Treffen der Spitzenkandidaten vor der Wahl am kommenden Sonntag erwartet. Manche hofften auf ein Wunder: In den Umfragen liegt die Jüttner-SPD weit hinten. Auch Peter Harry Carstensen hatte vor der Wahl in Schleswig-Holstein die Amtsinhaberin Heide Simonis beim Fernseh-Wettstreit ganz schön ins Schwitzen gebracht – und zum Schluss den Regierungsthron erstiegen.

In SPD-Restaurant ganz in der Nähe gibt es Jüttner-Bier. Als der um kurz nach 21 Uhr im Fernsehen den ersten seiner bärbeißigen Kommentare ablässt, ballen sich die Fäuste. Es geht um Wulffs Land des Lächelns: „Wenn er sachkundig wäre“, sagt der SPD-Mann auf der Großbildleinwand, „würde er wissen, dass dies eine der wenigen Operetten ist, die kein Happy End hat.“ Jüttner wird in dieser Fernseh-Stunde versuchen, den Ministerpräsidenten als unglaubwürdig darzustellen, als Wackel-Wulff. Der wird den Sozialdemokraten als Jammer-Jüttner, als „Miesmacher“ attackieren, jedoch Gelassenheit mimen. Jüttner grinst manchmal etwas zu verkrampft in die Kameras, die Anspannung verleitet ihn am Schluss der Debatte zum Bonmot des Abends: „Automopobilindustrie“. Geschenkt. So sieht das Almuth Plumeier: „Begeistert“ ist auch diese Sozialdemokratin nach dem Duell, „Jüttner war kämpferisch und inhaltlich gut“.

Wirtschaft, Bildung, Finanzen, Soziales, Jugendkriminalität: Die Kommentatoren sind am Tag danach uneins, wer bei der Hatz durch die Landespolitik gesiegt hat. Gewonnen hat aber womöglich der Zuschauer: Er hat etwas über die politischen Fronten in Niedersachsen gelernt, die bis dahin vom Wahlkampf in Hessen übertönt worden waren.

KAI SCHÖNEBERG