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Auch die Musik ist Träger der Geschichte: Vor 70 Jahren, im Mai 1938, öffnete bei den „Reichsmusiktagen“ in Düsseldorf die NS-Propagandaschau „Entartete Musik“. 1988 begann am selben Ort eine kritische Dokumentation der diffamierenden Musikpolitik der Nazis, die seitdem um die Welt gereist ist. Angereichert mit aktuellen Forschungserkenntnissen zur Verketzerung der musikalischen Moderne ist die Schau von Samstag an wieder in der Düsseldorfer Tonhalle zu sehen, erweitert um die Kapitel Jazz und Operette im Nazistaat. Drei Konzerte stellen in Düsseldorf das Schaffen verfemter Komponisten wie Ernst Krenek, Viktor Ullmann, Kurt Weill oder Paul Hindemith vor. Die Ausstellungsstationen reichen von Richard Wagners Schrift „Das Judentum in der Musik“, das „zu den Wegbereitern des Antisemitismus im deutschen Musikleben gehört“, bis zum Kapitel „Das Nazi-Ideal“, das für Hitler unter anderem in der Musik Anton Bruckners verkörpert war. Für den musikalischen Widerstand stehen der Düsseldorfer Kapellmeister Herbert Zipper, der im KZ das „Dachau-Lied“ schuf, und der Pianist Karlrobert Kreiten. Der hochbegabte junge Künstler war nach einer regimekritischen Äußerung 1943 hingerichtet worden.

Am Sonntag, dem weltweiten Holocaust-Gedenktag, eröffnet an der Rostocker Hochschule für Musik und Theater ein „Zentrum für verfemte Musik“, das ebenfalls von den Nationalsozialisten verfolgte und ermordete Künstler wieder in das musikalische Gedächtnis zurückholen will. Dazu werde es spezielle Seminare für Studenten, Angebote für Musiklehrer sowie Konzertreihen geben. Neben regelmäßigen Konzertprojekten und theoretischer Forschung zum Thema sei der Ausbau einer Datenbank „Verfemte Musik“ geplant, teilte die Hochschule mit. Mit dieser Verbindung und seiner künstlerisch-pädagogischen Ausrichtung sei die Einrichtung deutschlandweit einzigartig. Zur Eröffnung ist im Kammermusiksaal der Rostocker Hochschule für Musik und Theater Musik von Petr Pokorny, Izzy Fuhrman und Alexander von Zemlinsky zu hören.

Eine weitere Baustelle der Erinnerung ist in Frankfurt (Oder). Weil die russische Staatsduma die Rückgabe der letzten sechs Bleiglas-Fensterscheiben aus sogenannten Beutekunst-Beständen an die Marienkirche in Frankfurt gebilligt hat, kann die Kirche demnächst wieder in das Licht des Mittelalters eintauchen. Der größte Teil der in den Wirren des Zweiten Weltkriegs in die Sowjetunion gelangten Fensterbilder, einzigartige Zeugnisse der hochgotischen Glasmalerei, war 2002 an die Marienkirche zurückgegeben worden.