die taz vor zwanzig jahren über die repression in der ddr gegen stephan krawczyk
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Erst hat man ihn wegen „Zusammenrottung“ in den Knast gesperrt, obwohl die Stasi den Liedermacher Stephan Krawczyk einsam und allein vor seiner Haustür abgefangen hatte. Dann haben die DDR-Behörden dem konstruierten Tatvorwurf noch eins draufgesetzt: Landesverrat und Beziehungen mit „von westlichen Geheimdiensten gesteuerten Kreisen“ wirft man dem Liedermacher seit gestern nun vor.

Diese Methode, unbequeme Kritiker als von außen gesteuerte Systemfeinde zu diffamieren, hat in der Deutschen Demokratischen Republik eine lange Tradition. So wurde zu Beginn der 80er Jahre der Friedensbewegung vorgeworfen, vom US-Geheimdienst CIA gesteuert zu sein. Gezielt wurden gestern die führenden Köpfe der Opposition inhaftiert und des Landesverrats bezichtigt. Mit Stephan Krawczyk, Freya Klier und den Mitgliedern der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ sind Menschen hinter Gitter gebracht worden, die offen für eine Demokratisierung der DDR geschrieben, gesungen und gearbeitet haben. Sie alle fordern von den Regierenden, in einen Dialog mit den Andersdenkenden im eigenen Land zu treten. Und sie haben immer wieder betont, daß sie in der DDR bleiben und leben wollen.

Doch zu einem Dialog mit den Andersdenkenden, das haben die gestrigen Ereignisse klar und deutlich gezeigt, ist die Regierung der DDR auch 1988 nicht bereit. Im Gegenteil: Die staatlichen Stellen gehen mit einer Härte vor wie schon seit Jahren nicht mehr. Das Vorgehen gegen Stephan Krawczyk zeigt, dass die DDR-Führung dialogunfähig ist und nur mit dem Vorwurf des Landesverrates gegen die Opposition im eigenen Land zu operieren weiß. Die Androhung von lebenslangen Haftstrafen lässt den Schluß zu, daß die DDR-Führung nun auch auf ein anderes, längst vergessen geglaubtes Mittel setzen will: die unbequemen Kritiker zur Ausreise aus der DDR zu zwingen.

Clara Roth, taz 26. 1. 1988