Die Profis der Zukunft

Der HSV will an Europas Spitze und setzt dabei auf junge Spieler mit afrikanischer Familiengeschichte. Warum? Weil man mit Pitroipa, Kompany oder Boateng besser modernen Fußball spielen kann

VON LUCAS VOGELSANG

Vadis Odjidja-Ofoe auf Boateng. Doppelpass mit dem Kameruner Atouba. Flankenwechsel auf Jonathan Pitroipa aus Burkina Faso. Der spielt auf den nigerianischen Torjäger Macauley Chrisantus. Was sich anhört wie der Angriffswirbel einer Westafrika-Auswahl, ist einfach nur ein möglicher Spielzug in der Zukunft des Hamburger SV.

Die Hamburger setzen auf ihrem Kurs Richtung Champions-League-Abo mittlerweile massiv auf Spieler mit afrikanischer Familiengeschichte. So hat sich Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer in den vergangenen zwei Jahren sukzessive und klammheimlich seine ganz persönliche Afrika-Auswahl zusammengekauft. Dahinter steckt keineswegs ein bloßes Faible des HSV-Sportdirektors für Gute-Laune-Fußballer mit Hang zum Spektakel-Kick. Sondern ein Reflex auf den rapiden Wandel im Weltfußball. Vertikal nach vorn. 90 Minuten gegen den Ball. Kurzpassspiel mit nur einer Ballberührung.

Der moderne One-Touch-Fußball, wie ihn Spitzenklubs wie Arsenal London oder der FC Barcelona spielen, erfordert Spieler, die niemals müde werden. Sie müssen schnell sein, dabei aber gleichzeitig über eine Technik verfügen, die es erlaubt, den Ball im Highspeed-Offensivwirbel verarbeiten zu können. Spieler aus Afrika gelten in den Chefetagen vieler Clubs als diejenigen, die dieses Anforderungsprofil an den Profi der Zukunft besonders gut erfüllen. Beiersdorfer und seine Kollegen beim HSV haben das schon früh so gesehen – als eine der Ersten in der Bundesliga. Der HSV suche eben „gezielt physisch starke Spieler für ein schnelles, athletisches Spiel“, sagt Beiersdorfer.

Dennoch fällt gerade beim HSV auf: Neben den wenigen echten Afrikanern wie Atouba, Benjamin oder Guy Demel setzt Beiersdorfer vor allen Dingen auf den multikulturellen Nachwuchs. Choupo-Moting etwa. Halb deutsch. Halb Kameruner. Oder Vadis Odjidja-Ofoe. Halb Belgier. Halb Ghanaer. Dazu kommen noch Vincent Kompany, Jérôme Boateng oder auch Änis Ben-Hatira. Kaum ein Spieler wird direkt aus Afrika geholt, Macauley Chrisantus ist da eine der wenigen Ausnahmen. Für Dietmar Beiersdorfer ist das eine logische Strategie: Die „hier ausgebildeten Spieler mit afrikanischen Wurzeln“ integrierten sich normalerweise besser in die Mannschaft als die Talente aus Afrika und brächten bessere Leistungen.

Spieler direkt aus einem afrikanischen Verein zu verpflichten, bleibt ein Risiko. Die dortige Infrastruktur ist für europäische Scouting-Netzwerke nur schwer durchschaubar – da gestaltet sich die Talentsuche am Zuckerhut angenehmer. Zudem scheitern viele afrikanische Talente an der taktischen Herausforderung des europäischen Spitzenfußballs, wo Spiele nicht mehr durch pure Kraft, sondern durch strategisches Verständnis entschieden werden.

Holt der HSV aber Talente, die bereits in Europa ausgebildet wurden, sieht die Sache anders aus. Bei Jérôme Boateng etwa, dessen Vater aus Ghana stammt und der bei Hertha BSC eine der besten Ausbildungsprogramme des Landes durchlief. Oder auch bei Vincent Kompany und Vadis Odjidja-Ofoe, die in Anderlecht auf Taktik mit Viererkette gedrillt wurden. Ihr Spiel kombiniert europäische Kühle mit afrikanischer Eleganz.

Es ist genau diese Mischung, die die Qualität der neuen HSV-Generation ausmacht. Sie verfügt über die Stärken des afrikanischen Fußballs, ohne aber an seinen Schwächen leiden zu müssen.