nebensachen aus westafrika : Grenzerfahrungen oder Schmiergeld statt Pass
Auf Reisen in Afrika sind sie unvermeidlich: die Staatsgrenzen. Insgesamt gibt es auf dem afrikanischen Kontinent 53 Staaten. Also reichlich Potenzial für Schlagbäume. Und besonders an der Küste Westafrikas reiht sich ein Kleinstaat im Handtuchformat an den anderen. Eine meiner gängigen Reiserouten verläuft von der nigerianischen Metropole Lagos bis in die ghanaische Hauptstadt Accra. An einem halben Tag habe ich dann vier Länder passiert. Denn in anderthalb Stunden bin ich durch Benin durch und rund 45 Minuten brauche ich für Togo.
Keine Frage, dass ich bei diesen vielen Grenzübertritten nicht immer die erforderliche Sorgfalt walten lasse. An der nigerianisch-beninischen Grenze etwa schwinge ich mich auf ein Motorradtaxi und grüße im Vorbeisausen die Beamten vom Zoll und Einwanderungsdienst sowie von der Drogenbekämpfung und Staatssicherheit. Mit korrektem Abstempeln dauert die Grenzüberschreitung rund eine Stunde. Auf dem Motorrad keine drei Minuten.
Oft stehe ich kopfschüttelnd an diesen Grenzen. Typischerweise verlaufen die Territoriallinien genau durch Volksgruppen. Das bedeutet, dass auf beiden Seiten dieselbe ethnische Gemeinschaft lebt. Um sich zu besuchen, müssen sie nun Grenzen überqueren. Natürlich haben die wenigstens von ihnen Ausweise. Denn die kosten Geld. Wahrscheinlich haben sich die Beamten mit den Grenzanwohnern abgefunden. Sie interessieren sich nur noch für den „überregionalen“ Verkehr. Denn wenn diese Grenzen überhaupt einen Sinn haben, dann doch den, dass nur bei diesen Reisenden Geld zu holen ist.
Unsere deutschen Vorfahren haben diesen anhaltenden Grenzwahnsinn in Afrika mitzuverantworten. Was damals am 15. November 1884 in Berlin in der Wilhelmstraße geschah, prägt Afrika bis heute. Otto von Bismarck versammelte die Vertreter der damals wichtigsten Mächte in seinem Reichskanzlerpalais. Letztlich wurde in der Schlussakte der Berliner Kongokonferenz nicht weniger als die Aufteilung Afrikas in Kolonien beschlossen.
Bis heute gelten so gut wie alle damals teils mit dem Lineal gezogenen Grenzen. Denn nach dem Ende der Kolonialzeit in den Sechzigerjahren einigten sich die afrikanischen Staaten darauf, die Grenzen so anzuerkennen, wie sie waren. Die jungen Staaten befürchteten wohl, dass Grenzstreitigkeiten sogleich ins Verderben führten.
Dieses Verderben erlebt man heute tagtäglich. Frankophone Grenzbeamte schröpfen anglophone Afrikaner. Anglophone Zöllner schröpfen frankophone Reisende. So viel zur Einheit Afrikas. Wer schlau ist, zeigt überhaupt keinen Pass. Denn ohne Pass passiert man die Grenzen einfacher und schneller. Man zahlt lediglich das erwartete Schmiergeld.
Ich hörte einmal die Geschichte eines jungen asiatischen Touristen, der sich auf diesen Unsinn nicht einlassen wollte. Also erschien er an jeder Grenze ohne Visum. Er kampierte solange vor dem Grenzposten, bis dieser ihn durchließ. So wollte er ganz Afrika ohne Visum bereisen. Gegen Wahnsinn hilft manchmal vielleicht wirklich nur Dreistigkeit. Und so habe auch ich mein Zelt auf jeder Reise dabei.
HAKEEM JIMO