Stadtwerke rücken in die Ferne

Hamburgs Gasversorgung bleibt für ein weiteres Jahrzehnt bei Eon Hanse. Kurz vor der Wahl schließt der Senat noch rasch einen Vertrag, statt das Netz in die eigenen Hände zu übernehmen

Von SVEN-MICHAEL VEIT

Das Hamburger Gasnetz wird vorerst nicht in kommunale Hände zurückgeführt. Überraschend verlängerte der Senat gestern einen Vertrag mit dem Energiekonzern Eon Hanse um weitere zehn Jahre bis 2019. Allerdings gibt es ein vorzeitiges Kündigungsrecht zu Ende 2014. Dann läuft auch der Vertrag über die Stromkonzession mit Vattenfall aus. „Zu diesem Zeitpunkt“, sagte Bürgermeister Ole von Beust (CDU), „sollte eine strategische Gesamtlösung gefunden werden.“

Dafür gebe es drei Möglichkeiten: Die Versorgungsnetze könnten bei Eon Hanse und Vattenfall verbleiben, die Stadt könnte neue Betreiber suchen – oder selbst ein eigenes Stadtwerk gründen. „Alle drei Optionen sind derzeit offen“, sagte von Beust. Zwar fände er „im Grundsatz kluge Verträge mit Privaten besser, als das städtisch zu machen“. Aber man wisse ja nicht, wie die Lage in ein paar Jahren sei. Jetzt habe die nächste Bürgerschaft die Möglichkeit, „ohne Zeitdruck über die Vor- und Nachteile einer Beteiligung Hamburgs an der Energieversorgung der Stadt zu beraten“.

Scharfe Kritik an dem Vertrag kam umgehend von SPD und GAL. Die Grünen fordern seit langem, die Leitungsnetze für Gas und für Strom in städtische Regie zurückzubekommen. Nach ihren Vorstellungen sollte der städtische Versorger Hamburg Wasser zu einem Stadtwerk ausgebaut werden, dass für sämtliche Versorgungsnetze zuständig ist.

Die SPD strebt allgemein die Gründung eines neuen Stadtwerks an. Die Linke ist für einen vollständig kommunalen Betrieb, die FDP für Privatisierung. Eon Hanse mit Sitz in Quickborn (Kreis Bad Segeberg) ist der Nachfolger der einst städtischen Gaswerke HeinGas, die von der Stadt an den Energiekonzern Eon verkauft worden waren.

Vorstandschef Hans-Jakob Tiessen machte deutlich, dass sein Unternehmen lieber für die bisher übliche Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen hätte. Er kündigte eine Entlastung der Gaskunden-Haushalte in der Hansestadt um jährlich rund 30 Euro an. Grund seien geringere Durchleitungsgebühren. Zudem werde das Unternehmen in einer Service-Gesellschaft rund 300 neue Arbeitsplätze in Hamburg schaffen. Nach Beusts Angaben spart auch die Stadt bei ihrer eigenen Gasversorgung künftig rund 300.000 Euro. Außerdem erzielt sie jährlich eine Konzessionsabgabe von knapp drei Millionen Euro.

GAL-Spitzenkandidatin Christa Goetsch sprach von einer „unverschämten Entscheidung des Bürgermeisters“, welche die Gründung von Stadtwerken „für mindestens sechs Jahre blockiert“. Das sei „eine freudige Botschaft für die Aktionäre von Eon und ein Anschlag auf die Interessen der VerbraucherInnen“, kritisierte der grüne Wirtschaftspolitiker Jens Kerstan.

Umweltsenator Axel Gedaschko (CDU) habe noch Ende November vor dem Umweltausschuss der Bürgerschaft erklärt, dass eine Entscheidung über einen neuen Vertrag vor der Wahl „nicht realistisch“ sei, erinnerte GAL-Fraktionsvize Christian Maaß. Er gehe davon aus, so Gedaschko ausweislich des offiziellen Sitzungsprotokolls, „dass das eine Sache ist, die nachher wahrscheinlich die neue Bürgerschaft zu entscheiden hat“. Das jetzige Vorgehen, empört sich Maaß nun, sei „eine Täuschung der Bürgerschaft“.

Kritik kommt auch von SPD-Chef Ingo Egloff: Der Senat habe eigene Stadtwerke als „Wolkenkuckucksheim“ bezeichnet, halte sich aber vordergründig die Option dafür offen. „Welches Spiel spielen hier von Beust und Gedaschko?“, fragte Egloff.

Der Hamburger Chef des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Manfred Braasch, glaubt die Antwort zu wissen. Wer sich einerseits über die Netzmonopole der großen Konzerne beklage und zugleich die Chance auf eigene Stadtwerke auf Jahre blockiere, „ist hochgradig schizophren“.