Der eigene Groove

Die Ausstellung „Hip Hop, Klassik, Balkan Pop – Hamburger Lebenswelten“ wurde von 50 HamburgerInnen realisiert. Das nimmt ihr ein einheitliches Konzept – und gibt ihr eine ganz eigene Energie

Herr F. war dabei. Es war im August 1969, es war in den USA und F. besuchte das legendäre Woodstock-Festival. Er war damals 18 Jahre alt.

Im Januar 2008 ist F. längst wieder in Hamburg und er ist einer der rund 50 Leute, die die Ausstellung „Hip Hop, Klassik, Balkan-Pop – Hamburger Lebenswelten“ entwickelt haben, die derzeit im Hamburger Museum für Völkerkunde zu sehen ist. Der Beitrag von F. ist ein Text, in dem er erzählt, was er damals in den USA erlebt hat. Über dem Text steht: „Lesen bitte nur ab 18 Jahre! Dieser Zeitzeugenbericht enthält verherrlichende Stellungnahmen zu dem damaligen Konsum von Drogen.“ Weiter heißt es, die Macher der Ausstellung „warnen ausdrücklich vor Drogenkonsum“. Was ehrenwert ist – und offensichtlich Ergebnis einer längeren Diskussion.

Teamwork im großen Stil unter Gleichberechtigten, das ist der eine Aspekt, der diese Ausstellung besonders macht. Der andere ist, dass die AusstellungsmacherInnen alle bei dem Beschäftigungsträger Einfal GmbH als Ein-Euro-Jobber arbeiten. Die Einfal GmbH wird unter anderem unterstützt von der Stadt Hamburg und der Bundesagentur für Arbeit und ist dazu da, Arbeitssuchende für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren. An dem Ausstellungsprojekt haben Leute zwischen 18 und 62 Jahren unterschiedlichster beruflicher Herkunft mitgearbeitet.

Für die Ausstellung im Völkerkundemuseum haben die Einfal-AktivjobberInnen acht Stationen entwickelt, die sich alle um das Thema Musik drehen: Es gibt den Nachbau der Garderobe von Diana Ross, eine Technik-Abteilung, die musikalische Schwingungen durch Frequenzbänder und Oszillographen sichtbar macht, und einen Raum der Stille in Anlehnung an John Cages Stück 4‘33‘‘. Außerdem gibt es eine Zeitleiste, die die Entwicklung der Musik anhand von Dokumenten und Hörbeispielen vermittelt, eine Abteilung für elektronische Musik, ein Balkan-Zelt und ein Woodstock-Zelt, hippiemäßig bemalt und ausgestattet unter anderem mit Herrn F.s persönlichem Bericht.

Den Anspruch, ein Thema mit einem einzigen Ansatz wissenschaftlich distanziert zu beleuchten, hat die Ausstellung nicht. Es geht vielmehr um die Lebenswelten der AusstellungsmacherInnen, um das, was jeder Einzelne an Verallgemeinerbarem oder Besonderem zum Thema Musik beizusteuern hat. Das sehr Persönliche des Zeitzeugenberichts trifft hier auf Technikfaszination, Definitionen der Genres der elektronischen Musik stehen neben Malerei mit Musikinstrumenten als Motiven. Die Ausstellung entwickelt so nicht nur Charme, sondern auch eine ganz eigene Energie. Eine gute Grundlage, denn die Ausstellung hat sich zum Ziel gesetzt, verstärkt Menschen anzusprechen, „die nicht zum ‚typischen‘ Museumspublikum zählen“. Und gleichzeitig zu zeigen, „mit welchem Engagement Arbeitssuchende neue Wege zurück in die Arbeitswelt gehen“.

Der Bericht von Herrn F. bleibt übrigens drogenmäßig eher brav: Im Internet einsehbare Besäufnis-Berichte vom zeitgenössischen Hurricane-Festival klingen da bedeutend wilder. Aber dafür gab’s bei Woodstock noch Jimi Hendrix live – was F. unterm Strich noch mehr beeindruckt hatte, als all die nackten Hippies, der Regen und die Joints.Klaus Irler

bis 27. April im Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64. Begleitend gibt es im Ausstellungsraum Live-Konzerte von Hamburger Bands. Den Anfang macht Matthias Kaul am 8. Februar um 20 Uhr