OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Von Jean Renoir stammt der Gedanke einer nationale Grenzen sprengenden Verständigung der Menschen bestimmter Klassen oder Berufe: Ein französischer und ein chinesischer Bauer haben sich seiner Ansicht nach eben deutlich mehr zu sagen als etwa ein französischer Bauer und ein französischer Aristokrat. Dieser Idee folgt auch G. W. Pabst in seinem 1931 entstandenen Film „Kameradschaft, in dem er die Umstände eines Grubenunglücks in Frankreich nahe der deutschen Grenze schildert. Denn es sind die deutschen Bergarbeiter, die von dem Unglück erfahren, daraufhin Rettungsmannschaften zusammenstellen und die Verschütteten schließlich retten können. Dabei darf man nicht vergessen, dass Deutschland und Frankreich durch die vorangegangenen Kriege damals noch als „Erbfeinde“ angesehen wurden, und dieser Tatsache trägt auch Pabst in seinem realistischen Drama immer wieder Rechnung. Besonders absurd erscheint da beispielsweise das Symbol einer Grenze im Schacht selbst: ein Eisengitter, das zur Rettung der Eingeschlossenen zunächst weggerissen werden muss und am Ende von Soldaten wieder sorgfältig repariert wird. Doch „Kameradschaft“ endet optimistisch: Die Solidarität der Berufskollegen obsiegt über Bürokratie und Vorurteile.

Einem gänzlich anderen Genre hatte sich Pabst zwei Jahre zuvor gewidmet, als er bei Arnold Fancks Bergfilm „Die weiße Hölle vom Piz Palü“ die Koregie übernahm und dabei wohl vor allem für die Inszenierung der Spielhandlung verantwortlich zeichnete. Doch einmal mehr besaß diese im Drama um einen drastischen Wetterumschwung im Hochgebirge, der drei Menschen in Lebensgefahr bringt, eine eher untergeordnete Funktion. Denn es sind Fancks fantastische Naturaufnahmen (insbesondere die künstlich herbeigeführten Lawinenabgänge), die den Film tragen. Seine Fähigkeit lag darin, die Gebirgslandschaften wie lebendige Wesen zu charakterisieren, die sich mit Starrsinn der Besteigung durch die Menschen verweigern konnten.

In einer meiner Lieblingsszenen in Willi Forsts bitter-süßer Komödie „Maskerade“ (1934) fragt die mädchenhafte Paula Wessely einen von Adolf Wohlbrück verkörperten Maler, ob er nicht etwa der Herr vom Eislaufplatz sei, „der immer im gesprenkelten Sweater herumläuft?“ Woraufhin der stets unglaublich elegante und distanziert wirkende Wohlbrück wahrhaftig ausschaut, als ob ihm gerade jemand ans Bein gepinkelt hätte. Neben dieser nicht ganz so glücklich beginnenden Beziehung zwischen dem weltgewandten, in besten Kreisen verkehrenden Maler und dem einfachen Mädchen erzählt Forsts zweite Regiearbeit vor allem von einer durch Musik charakterisierten Wiener Gesellschaft: Bach-Kantaten gespielt vom Hoforchester, Caruso-Abende in der Oper, Walzerseligkeit sowie pikante Chansons im verräucherten Cabaret – hier bekommt jede Gesellschaftsschicht ihre ganz eigenen Noten zugewiesen. Und überhaupt kommt die ganze Verwechslungsgeschichte nur deshalb in Schwung, weil die Wessely hier ein Fräulein Dur verkörpert. LARS PENNING

„Kameradschaft“ 6. 2. im Arsenal 2

„Die weiße Hölle vom Piz Palü“ 2. 2. im Arsenal 2

„Maskerade“ 6. 2. in den Eva-Lichtspielen