europäische zeitungen über die rede von us-präsident george w. bush zur lage der nation
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In Madrid meint das linksliberale Blatt El País: In Bushs letzter Rede zur Lage der Nation ist sein vergiftetes Erbe deutlich geworden. Es ist das, was er die „unerledigten Dinge“ nennt. Darunter sind die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie die Wirtschaftslage, die er als „ungewiss“ beschrieb.

Von Bill Clinton hatte Bush seinerzeit einen Haushalt mit Überschuss übernommen. Was er hinterlässt, ist ein enormes Defizit und ein Land am Rande der Rezession. Und dies in einer Welt, die unsicherer geworden ist – nicht nur wegen der Terroranschläge des 11. September, sondern auch wegen der Art und Weise, wie Bushs Regierung darauf geantwortet hat.

Der niederländische Volkskrant resümiert: Die Art, in der Bush in seiner Rede die ökonomischen Probleme anging, ist symptomatisch. Um die Wirtschaft vor einer Rezession zu bewahren, hat das Weiße Haus einen Stimulierungsplan gestartet, der vor allem aus einem Zuckerstückchen für die Steuerzahler besteht. Das sei zu wenig und komme zu spät, kritisieren viele Ökonomen. Auf demokratischer Seite wird für zielgerichtete Maßnahmen plädiert und für eine schärfere Aufsicht über den Hypothekenmarkt. Aber zum Unverständnis des Kongresses zeigte der Präsident keinerlei Lust auf eine gemeinsame Offensive, die das Vertrauen in die Ökonomie spürbar befördern könnte.

In Zürich kommentiert der Tages-Anzeiger: Alles wird gut, lautete die Botschaft. Eine schönfärberische Darstellung: In Afghanistan sind al-Qaida und die Taliban wieder im Aufwind. Und im Irak fallen noch immer Dutzende von Menschen täglich Gewalttaten zum Opfer: 2007 war das blutigste Jahr überhaupt, und seither sind bereits wieder 484 Iraker und 36 US-Soldaten getötet worden.

In Wien schreibt der Standard: Auffällig am letzten Auftritt dieser Art von George W. Bush war allerdings, wie wenig Bedeutung seine Worte hatten. Das lag zum Teil daran, dass sich die Aufmerksamkeit der Amerikaner längst der Suche nach einem Nachfolger zugewandt hat – erstmals seit 1928 ohne einen Präsidenten oder Vizepräsidenten als Kandidaten. Dank einer demokratischen Mehrheit im Kongress und katastrophal niedrigen Popularitätswerten ist Bush außerdem bereits zur „lame duck“ geworden, sind seine Chancen, in den letzten elf Monaten seiner Präsidentschaft bedeutende Initiativen durchzubringen, minimal.

Dänemarks rechte Jyllands-Posten meint: Bush hat ein Jahr, um sich einen besseren Nachruf zu sichern als den, der sich abzeichnet. Das erfordert national wie international eine andere realpolitische Grundhaltung. Eine schwere Aufgabe in einem Wahljahr. Aber der US-Präsident hat einen besseren Abgang verdient als diese letzte Rede.