Verfassungsschutz darf nicht nur schweigen

Die Klage eines Mitglieds des Berliner Sozialforums gegen Verfassungsschutz ist teilweise erfolgreich

Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz muss auskunftsfreudiger werden. Mit einem Teilerfolg für den Kläger endete am Mittwoch das Verfahren von Wilhelm Fehse, Mitglied des Berliner Sozialforums, gegen das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (taz berichtete). Die Behörde hatte ihm Einblick in die über ihn gesammelten Daten verweigert mit der Begründung, sie müsse ihre Quellen schützen.

Das Berliner Verwaltungsgericht lehnte eine solch rigide Auskunftsverweigerung jetzt ab. Die Behörde könne zwar Auskünfte verweigern, um die Enttarnung ihrer V-Leute zu verhindern. Das müsse sie allerdings in jedem Einzelfall begründen. Eine grundsätzliche Ablehnung von Auskunftsansprüchen sei nicht möglich, entschied der Vizegerichtspräsident Hans-Peter Rueß. Wenn das Urteil Bestand hat, muss der Verfassungsschutz alle Anträge auf Akteneinsicht neu entscheiden.

Fehses Anwalt Sönke Hilbrans bezeichnete die Gerichtsentscheidung gegenüber der taz als wichtigen Teilerfolg. „Sollte das Urteil Bestand haben, werden die Behörden bei den Anträgen auf Akteneinsicht deutlich auskunftsfreundlichere Maßstäbe als bisher anwenden müssen.“ Wie Fehse hatten zahlreiche weitere Sozialforumsaktivisten Akteneinsicht beantragt, nachdem bekannt geworden war, dass das Sozialforum mehrere Jahre lang vom Verfassungsschutz observiert worden war.

Bei aller Zufriedenheit über den Teilsieg warnt der Kläger aber vor Euphorie. „Mit dem Urteil wird weder die blinde Sammelwut der Verfassungsschützer gebremst noch eine generelle Akteneinsicht ermöglicht. Insgesamt bleibt der Verfassungsschutz weiter ohne öffentliche und parlamentarische Kontrolle.“

Auch der emeritierte Berliner Politologieprofessor und Sozialforumsaktivist Peter Grottian, der als Einziger der Betroffenen Akteneinsicht bekommen hatte, ist nur teilweise zufrieden mit dem Urteil. „Bisher ist man bei der Behörde mit einem Auskunftsersuchen gegen eine Wand aus Stein gerannt, künftig rennt man gegen eine aus Gummi.“ Das Landesamt für Verfassungsschutz wollte sich zum Urteil erst äußern, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. PETER NOWAK