Große Chance für Wilhelmsburg

Die Internationale Bauausstellung steht vor zentralen Entscheidungen: Die Reichsstraße könnte aufgegeben und eine Wunde im Stadtteil geheilt werden. Den Siedlungsbau in den Kirchdorfer Wiesen könnten Kiebitze verhindern

2008 wird ein Jahr grundlegender Entscheidungen für die Internationale Bauausstellung (IBA 2013) in Wilhelmsburg. Bürgerschaft und Bezirksversammlung Mitte werden zentrale Projekte starten müssen, damit diese bis 2013 verwirklicht werden können. Wenn es für den Stadtteil gut läuft, läuten sie das Ende der autobahnähnlichen Wilhelmsburger Reichsstraße (B4 / B75) ein.

Wie Stadtentwicklungssenator Axel Gedaschko (CDU) bei der Jahrespressekonferenz der IBA bekräftigte, will der Senat die Hafenquerspange im Norden Wilhelmsburgs nicht mehr als Stelzenautobahn bauen sondern in einem Trog, einem nach oben offenen Tunnel. Die Kosten einer solchen Lösung prüfe derzeit das Bundesverkehrsministerium.

Es untersucht zwei Modelle: eine Brücke über den Köhlbrand, die 20 Meter höher sein müsste als die heutige, und einen „Plan B“, nach dem die Autobahn auf der Höhe Moorburgs die Elbe überqueren würde, was eine Brücke billiger machte. Von hier aus könnte der Verkehr westlich des Reiherstiegs nach Norden gelenkt werden oder östlich, entlang der Bahntrasse. In dem einen Fall würde der Verkehr nördlich am Stadtteil vorbeigelenkt, im anderen Fall südlich.

Beide Varianten von Plan B würden es nach Ansicht von IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg erlauben, die Wilhelmsburger Reichsstraße in ihrer heutigen Form aufzugeben und dem Stadtteil neue Zukunftsaussichten zu verschaffen. „Wenn es gelingt, diese Verkehrsplanung zu realisieren, gewinnt die Stadtentwicklung eine neue Qualität“, sagte Hellweg. Nach Ansicht von Senator Gedaschko bietet sich eine Verlegung der Reichsstraße an, weil sie für eine Bundesstraße zu schmal sei, keinen Lärmschutz biete und deshalb nachgerüstet werden müsste. Würde die Reichsstraße in einen Boulevard verwandelt, könnten beiderseits 6.000 bis 8.000 Wohnungen gebaut werden, schätzt Hellweg. Der Verkauf der größtenteils städtischen Grundstücke könne zur Finanzierung der neuen Straße beitragen.

Auch wenn ein Wohnungsbau an dieser Stelle den Druck vermindern würde, neue Siedlungsfläche zu erschließen: Die Idee, eine Siedlung in den Kirchdorfer Wiesen zu errichten, will Hellweg nicht aufgeben. Eine IBA sei dazu da, innovative Lösungen zu entwickeln. „Es ist die Frage, ob es uns gelingt, eine Win-Win-Situation für das Wohnen und den Naturschutz zu schaffen“, sagte Hellweg. Der Umfang der entsprechenden Pläne sei bereits auf 30 Prozent und 300 Wohnungen geschrumpft.

Die einzige echte Hürde sei der Kiebitz, der auf den Wiesen brüte. Der Bestand sei aber im Schwinden begriffen. Das liege daran, dass die jahrhundertealten Wiesen seit 1973 nicht mehr gepflegt würden, sagt Harald Köpke vom Umweltverband BUND. „Warum macht man kein IBA-Projekt daraus, diesen wertvollen Raum zu erhalten?“, fragt er. GERNOT KNÖDLER