Microsoft greift nach Yahoo

Es wäre eine der spektakulärsten Übernahmen der Internet-Geschichte: Der Softwareriese Microsoft möchte sich das Großportal Yahoo für 44,6 Milliarden Dollar einverleiben. Verlierer wäre Suchmaschinen-Marktführer Google

VON BEN SCHWAN

Gerüchte über eine mögliche Übernahme Yahoos durch Microsoft gab es schon länger, nun sind sie offiziell bestätigt: 44,6 Milliarden Dollar in Bargeld und Aktien will der Windows- und Office-Verkäufer in die Hand nehmen, um dem Internet-Marktführer Google mit geballter Kraft entgegentreten zu können.

Der Aufkauf, der die Top-2- und Top-3-Mitspieler im Web-Geschäft zusammenführen würde, käme zu einer strategisch günstigen Zeit für Microsoft. Yahoo, größter Portalbetreiber der Welt und allein mit seinem Webmail-Dienst in Hunderten Millionen Haushalten vertreten, liegt nach schlechten Gewinnzahlen am Boden, kündigte in den letzten Tagen an, 1.000 Angestellte zu entlassen und seine Filialen besonders in Europa zurechtzustutzen. Das wäre die größte Kündigungsrunde bei dem Unternehmen seit der „New Economy“-Krise.

Das Microsoft-Angebot entspräche nun immerhin einem Aufschlag von 62 Prozent auf den Yahoo-Kurs vom Donnerstag. Die Börse reagierte prompt und erfreut – Yahoos Aktie zogen am Morgen um einen ähnlichen Betrag an. Microsoft-Chef Steve Ballmer gab in einem Brief an die Aktionäre an, sein Unternehmen habe bereits vor einem Jahr versucht, Yahoo zu übernehmen. Damals sei das Angebot ausgeschlagen worden. „Doch auch heute, ein Jahr später, hat sich die Wettbewerbssituation im Internet nicht verbessert“, so Ballmer mit Blick auf den großen Wettbewerber Google. Es sei nun Zeit für eine „freundliche Übernahme“. Beide Unternehmen könnten zusammen bis zu eine Milliarde Dollar einsparen, wenn sie zusammen operierten.

Eine Yahoo-Sprecherin wollte das Kaufangebot gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg zunächst nicht kommentieren. Ballmer hatte in seinem Brief geworben, Microsoft habe „sehr großen Respekt“ vor Yahoo und seiner Leistung. In der Tat steht die Firma am Scheideweg: In den vergangenen zwei Jahren gab es kein Quartal, in dem der Profit nicht zurückgegangen war, gleichzeitig halbierte sich der Aktienkurs. Yahoo hatte seinen Chef Terry Semel abberufen und Firmengründer Jerry Yang zurück an die Spitze geholt. Viel geholfen hat dies in den letzten Monaten jedoch noch nicht.

Eine Kombination aus Yahoo und Microsoft würde beiden Firmen die Möglichkeit geben, zum zweitgrößten Verkäufer von Online-Werbung zu werden – und Google damit deutlich stärker Konkurrenz machen zu können als im Alleingang. Ballmer will den Kauf im zweiten Halbjahr 2008 abgeschlossen haben. Allerdings müssten zuvor sowohl die amerikanischen als auch die europäischen Aufsichtsbehörden zugestimmt haben.

Der Microsoft-Chef versprach Konsumenten, Inhalteanbietern und werbetreibender Industrie „interessante neue Lösungen“, die sich durch den Zusammenhang ergäben. Yahoo betreibt ein großes Portalangebot mit Suchmaschine, Nachrichtendiensten, Social Networking und Multimedia, besitzt den Fotodienst Flickr sowie ein Imperium an Web-2.0-Diensten, die aufgekauft worden waren. Wichtigstes Argument für Microsofts Übernahmepläne dürfte aber die Reichweite sein, die Yahoo weltweit hat.

Die Google-Aktie, die aufgrund enttäuschender Quartalszahlen am Donnerstag ohnehin im Tiefflug war, gab am Freitag weiter nach.

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