die taz vor 11 jahren über korruption mit stil
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Falls die thüringische Volksvertreterin Vera Lengsfeld tatsächlich zwei Jahre lang ihre Tagesmutter und Haushälterin aus Mitteln des Bundestags bezahlt haben sollte: Es wäre das erste Mal, daß sie als öffentliche Person etwas Vernünftiges, hundertprozentig Unterstützenswertes getan hätte. Wenn wir das einem blinden Huhn gönnen, warum dann nicht auch einem schwarz-grünen.

Es war zu befürchten, daß angesichts der neusten „Enthüllungen“ überall in der Republik wieder die Wickertianerinnen und Wickertianer aufstehen und sich erhitzen – obwohl sie anderseits in Sachen „Spesen-Rita“ (Lengsfelds Gesinnungsgenossin hat ja auch bloß ausnahmsweise mal das Richtige getan) derart viel gegeifert haben, daß man hoffen konnte, es dauere noch ein paar Wochen, bis der Mund wieder Schaum produzieren kann.

Anfangs, kurz nachdem dieser Ministerdarsteller, dessen Name heute kaum noch jemand kennt, sich seine Putzfrau vom Arbeitsamt hatte bezahlen lassen, war das Remmidemmi der Echauffierten ja noch unterhaltsam. Wenn man sich diese ehrbaren Staatsbürger unter den Medienmitarbeitern vorstellte, wie sie jeden Abend vor dem Schlafengehen ein paar Steuergroschen in den Sparstrumpf packen, um dann beruhigten Gewissens darüber zu sinnieren, welches Wort sie am nächsten Morgen mit „Affäre“ verknüpfen – dann ließ es sich schmunzeln, immerhin.

Aber jetzt muß mal Schluß sein mit lustig: Wenn ein Politiker privilegiengeil, korrupt und raffgierig ist – dann sind das die besten Eigenschaften, die man ihm heutzutage nachsagen kann. Die reine Horrorvorstellung ist hingegen der Typ „ehrliche Haut“, ein Volksvertreter, der Blut, Schweiß und Tränen für Fraktion, Fachausschuß und Vaterland zu investieren bereit ist, ohne an seinen persönlichen Vorteil zu denken.

René Martens, 4. 2. 1997