Verspäteter Aktionismus

Schnell-Abi: Niedersachsens Kultusminister Busemann (CDU) hat entdeckt, dass acht Jahre eins weniger als neun sind. Jetzt will er die Kultusministerkonferenz zum schleunigen Handeln drängen

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Es ist vor allem eine Frage des Termins: Zeitgleich mit dem Start der neuen Hilfe-die-Schule-macht-unsere-Kinder-krank-Kampagne der Bild, und nur kurz, nachdem Fernsehmoderator Reinhold Beckmann das Thema für sich entdeckt hat, wirft sich Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann (CDU) in Sachen Schülerbelastung in die Bresche. Vor dem Hintergrund, dass Niedersachsen anno 2004 das Abitur nach zwölf Jahren flächendeckend eingeführt hat, kündigte er am Montag, 4. Februar 2008 an, sich bei der Kultusministerkonferenz für eine Reduktion der Stunden-Zahl für Gymnasiasten einzusetzen. Sie liegt bundeseinheitlich bei 265. Eine Änderung erfordert laut KMK-Satzung den Konsens.

Im vergangenen Sommer war ein entsprechender Vorschlag bereits von Hamburg und dem Saarland unterbreitet worden. Die Mehrheit hatte ihn von vornherein abgelehnt. Auch aus Hannover kamen keine Unterstützungssignale. Zur KMK-Beratung kam es deshalb nicht.

Fünf Monate später hat sich die KMK schließlich auf das weitere Verfahren verständigt. Der einstimmige Beschluss sieht vor, „die Erfahrungen der Länder auszuwerten“. Und darauf basierend zu prüfen, wie man die Belastung reduzieren kann – „unter Wahrung der Qualitätsstandards“.

Andernorts wundert man sich deshalb über Busemanns Äußerungen: „Wir gehen davon aus, dass man sich ans verabredete Verfahren hält“, hieß es aus der Bremer Bildungsbehörde. Die KMK-Ergebnisse würden „in Ruhe abgewartet“ – um dann die eigene Schulstruktur-Debatte zu beleben.

Das Problem ist real – und war bei Einführung des Schnell-Abis absehbar: 265 Wochenstunden verteilt auf acht Jahre ergibt gut 33, auf neun nur knapp 30. Hamburg war 2002 eins der ersten Bundesländer, die das acht-Jahre-Abi eingeführt haben. Dort sind mittlerweile alle Gymnasien Ganztagschulen. Mit Kantine. In Bremen tendiert man in die gleiche Richtung, behält aber parallel auch die Möglichkeit des neun-Jahre-Abis bei. In Niedersachsen hingegen „haben wir bei den Ganztagsschulen andere Schwerpunkte gesetzt“, sagte Busemann-Sprecher Georg Weßling. Rund ein Drittel der 250 Gymnasien sind als Ganztagsbetrieb ausgewiesen. Mensen haben sie nur, wenn Kommunen und Elterninitiativen Geld in die Hand genommen haben. Dafür hat der Minister vor zehn Tagen frisches Geld bereitgestellt – damit die Schulen zusätzlichen Förderunterricht anbieten können. „Damit werden zusätzliche Lehrerstunden finanziert“, sagte Weßling. „Das muss nicht zusätzliche Schülerstunden bedeuten.“ Kann es aber.

Das Ganze sei „völlig unausgegoren“, sagte die grüne Bildungspolitikerin Ina Korter. Überstürzt habe Niedersachsen das Schnell-Abi eingeführt. „Wir hatten gefordert, das zurückzustellen.“ Vergeblich. Busemann sei „konzeptionslos“, habe „keinen Finger gerührt, um den Stoffplan zu entrümpeln“. Kritik, die umgehend zurückgewiesen wird. „Schon 2005“ habe das Ministerium „begonnen, die Lehrpläne zu überarbeiten“, sagte Weßling. Sie sollen durch Kern-Curricula ersetzt werden, sprich: Lernzielbeschreibungen, statt detaillierter Vorgaben. „In den Fächern Mathe, Deutsch, Englisch und den drei Naturwissenschaften“ seien die „schon fertig“. Bloß noch nicht in Kraft getreten.