Wider die schwarzen Mächte

Hamburgs Grüne wehren sich gegen die tödliche Umarmung durch die CDU von Bürgermeister Ole von Beust. Gut zwei Wochen vor der Bürgerschaftswahl an der Elbe erklären sie schwarz-grünen Spekulationen eine Absage

Zurzeit zeichnet sich in Hamburg keine klare Mehrheit in der Bürgerschaft ab. Die aktuellste Infratest-Umfrage für den NDR vom vorigen Freitag sagt für die CDU 41 Prozent und somit den Verlust der absoluten Mehrheit der Mandate voraus, die sie 2004 mit 47,2 Prozent errang. Die FDP, vor vier Jahren mit 2,8 Prozent aus der Hamburger Bürgerschaft entsorgt, wird mit 5 Prozent erstmals wieder eine Chance auf die Rückkehr ins Rathaus vorhergesagt. Die SPD legt gegenüber dem Ergebnis von 2004 um 2,5 Prozent auf 33 Prozent zu, die GAL hingegen sinkt im gleichen Maße von 12,3 auf 10 Prozent. Der erstmals kandidierenden Linkspartei wird mit 7 Prozent der Einzug in die Bürgerschaft vorgesagt. Somit kämen weder ein schwarz-gelbes noch ein rot-grünes Regierungsbündnis zustande. Möglich wären die große Koalition aus CDU und SPD und Schwarz-Gelb sowie – rein rechnerisch – die Dreierbündnisse SPD/GAL/FDP und SPD/GAL/Linke. SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Der Landesvorstand der Hamburger Grünen „ist der Auffassung, dass die inhaltliche Basis für Koalitionsverhandlungen mit der CDU nicht ausreicht“. Diese eindeutige Absage an schwarz-grüne Spekulationen hat das siebenköpfige Führungsgremium der Grün-Alternativen Liste (GAL) einhellig und in Abstimmung mit der Spitzenkandidatin, Fraktionschefin Christa Goetsch, beschlossen.

Kommuniziert wurde das Votum bislang nur in einer internen Mail, die Parteichefin Anja Hajduk gestern an alle Gremien und Funktionsträger schickte. Sie liegt der taz nord im Wortlaut vor. Der Inhalt sei „eine Klarstellung“, schreibt Hajduk an die „lieben Freundinnen und Freunde“.

Knapp drei Wochen vor der Bürgerschaftswahl am 24. Februar sind die Hamburger Grünen mächtig in die Defensive geraten. Seit Monaten köchelnde Spekulationen über ein mögliches schwarz-grünes Bündnis an der Elbe hatten nach der Wahl in Hessen Auftrieb bekommen. Denn auch in Hamburg ist ein Landesparlament mit fünf Parteien und ohne klare Mehrheit möglich (siehe Kasten).

Am Wochenende hatte zudem Krista Sager, Vizechefin der grünen Bundestagsfraktion, „Gespräche“ mit der CDU nicht ausgeschlossen. Sollte es nicht zu einer rot-grünen Mehrheit langen, so die ehemalige Zweite Bürgermeisterin Hamburgs, „darf es keinen Automatismus hin zu einer großen Koalition geben“ (taz berichtete), hatte sie in Berlin zum nicht gelinden Entsetzen führender GALierInnen gesagt.

„Das war das Gegenteil von hilfreich“: So oder drastischer moserten auf dem Parlamentarischen Abend der Hamburger Bürgerschaft am Montag mehrere Grüne über diese „Schützenhilfe für die schwarze Macht“.

Dadurch sei, so schreibt nun Hajduk diplomatisch verbrämt, „unsere Wahlkampfsituation nicht einfacher geworden“. Und obwohl es darüber „viel Verärgerung“ gebe, dürften „wir den Kopf nicht in den Sand stecken“. Ziel der GAL sei eine rot-grüne Koalition nach der Wahl am 24. Februar. Mit der CDU fehle „in wesentlichen politischen Fragen die inhaltliche Schnittmenge“. Diese Differenzen seien, so Hajduk einleitend in ihrer Rundmail, in jüngster Zeit durch Entscheidungen der Hamburger CDU und ihres Senates „noch weiter gewachsen und deutlicher hervorgetreten“.

Die Liste der Dissenspunkte, welche der Landesvorstand anfügt, ist in der Tat lang. Die Elbvertiefung, welche CDU-Bürgermeister Ole von Beust zur „Bedingung“ für Verhandlungen mit möglichen Koalitionspartnern ernannt hat, lehnt die GAL weiterhin ab. Die Weigerung des Senats, die Anmeldung des Wattenmeeres bei der Unesco als Weltnaturerbe zu unterstützen, wird harsch kritisiert. Und die Genehmigung für Vattenfall, mit dem Bau des Kohlekraftwerks Moorburg zu beginnen, bleibt für die GAL ein klimapolitischer Sündenfall.

„Völlig inakzeptabel“ sei auch die Verlängerung des Konzessionsvertrages für Eon Hanse über die Gasnetze, welche der Senat vorige Woche beschlossen hatte. Durch diese „unverschämte Entscheidung“, wie Goetsch das nannte, würden „die Gewinne des Monopolisten für weitere sechs Jahre zu Lasten der Hamburger VerbraucherInnen festgeschrieben“, heißt es in der Mail der Parteivorsitzenden.

Und schließlich, schreibt Hajduk, „verschärft die CDU in der Schulpolitik mit ihrem Zwei-Säulen-Modell das Aussortieren, statt für eine bessere individuelle Förderung aller Kinder zu sorgen“. In diesem Punkt hatte Schulexpertin Goetsch schon vor zwei Wochen auf Nachfrage der taz klargestellt, dass eine CDU-Schulpolitik mit ihr als Bildungssenatorin und Zweiter Bürgermeisterin „nicht denkbar ist“.

Die Klarstellung an die eigene Basis schließt mit dem Hinweis, dass die Parteiführung somit keine Grundlage für Verhandlungen mit der CDU des Ole von Beust sieht. Das Wahlziel sei und bleibe einzig, schreibt Hajduk, „der rot-grüne Machtwechsel“.

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