Die große Abrechnung

Die niedrige Beteiligung bei der Landtagswahl in Niedersachsen macht den Parteien zu schaffen. Vor allem die SPD will ihre politische Arbeit künftig neu ausrichten, auch die CDU will sparen

Bei der Landtagswahl am 27. Januar erhielt die CDU 42,5 Prozent der Stimmen, 5,8 Prozent weniger als 2003. Die SPD holte 30,3 (-3,1), die FDP 8,2 (+ 0,1), die Grünen 8,0 (+ 0,4) und die Linke 7,1 (+ 6,6). Nur 57 Prozent der Wahlberechtigten gingen zu den Urnen, so wenig wie noch nie. Nur 3,47 von 6,1 Millionen Berechtigten wählten. Durch das verkleinerte Parlament und durch den Einzug der Linken in den Landtag müssen vor allem CDU und SPD mit stark sinkenden Fraktionskostenzuschüssen rechnen, es geht um etwa eine Million Euro. In der kommenden Woche soll entschieden werden, ob das Defizit ausgeglichen wird.  KSC

VON KAI SCHÖNEBERG

Kehraus in der Basis: Die Wahlkampfzentrale der niedersächsischen SPD in der City von Hannover ist zum Flohmarkt geworden. Alles wird verramscht, am Ende des Monats müssen die Sozialdemokraten das eigens angemietete Büro aufgeben. Im Angebot: kistenweise Jüttner-Blöcke, Jüttner-Kulis in Plastiksäckchen, Ventilatoren gibt es für acht Euro, der Partei-Kicker war bis vor kurzem für 130 zu haben.

Ob die Erlöse der sozialdemokratischen Finanzmisere abhelfen können, ist fraglich. Das schlechteste SPD-Ergebnis bei einer Landtagswahl in der Nachkriegszeit werde ein „sehr, sehr spürbares Finanzloch“ in den Parteikassen hinterlassen, sagt Landesgeschäftsführer Frank Wilhelmy. Alle etablierten Parteien haben wegen der desaströsen Wahlbeteiligung mit Geldproblemen zu kämpfen. Weniger Stimmen heißt auch weniger Unterstützung vom Staat. Nach der Zahl der Zweitstimmen bemisst sich laut Parteiengesetz die Wahlkampfkostenerstattung. Bei Landtagswahlen sind das 50 Cent pro Wähler und Jahr.

Die SPD ist besonders betroffen: Nur noch rund eine Million Niedersachsen gaben ihre Zweitstimme am 27. Januar den Sozialdemokraten, 300.000 weniger als 2003, sogar eine Million weniger als 1998. Da niemand bei der SPD ein derartiges Debakel erwartet hatte, ist der rechnerische Verlust wohl noch höher als die 150.000 Euro Staatszuschüsse, die der Partei durch das aktuelle Ergebnis künftig jährlich fehlen werden.

Was tun? Niedersachsens SPD-Chef Garrelt Duin hofft auf Zuschüsse von der SPD-Bundeszentrale, Parteien haben zudem Einkünfte durch Mitglieder und Spenden. Aber das reicht nicht. Deshalb will Duin eine „Zukunftskommission“ berufen, die die SPD-Strukturen im Land reformieren soll – intern heißt sie bereits „ZK“. Vor allem geht es um die vier Parteibezirke Hannover, Braunschweig, Weser-Ems und Nord-Niedersachsen. Sie haben sich in der Vergangenheit nicht nur heftig befehdet, sondern auch viel Geld verschlungen. Als Vorbild gilt vielen in der Niedersachsen-SPD die Reform in Rheinland-Pfalz: Dort wurde mit einem Federstrich die Personalhoheit der Bezirke auf die Zentrale übertragen. Zudem geht es um neue Aufgaben für das SPD-Personal: Rund 60 Angestellte hat die SPD in Niedersachsen, aber keinen Hauptamtlichen, der sich um die Jugendarbeit kümmert. Noch hat die Partei laut Landesgeschäftsführer Wilhelmy rund 73.000 Mitglieder, Tendenz sinkend. Am kommenden Dienstag soll das „ZK“ eingesetzt werden, bis zum Parteitag im Juni einen Vorschlag erarbeiten.

Auch bei der CDU ist vielen der Jubel vom Wahlabend im Hals stecken geblieben, nachdem die Zahl der Stimmen bekannt wurde. „Da muss man erst mal mit klar kommen“, sagt Generalsekretär Ulf Thiele. Die Landtagswahl hat Christian Wulff gewonnen, das Duell um die Nummer 2 der Bundes-CDU für sich entschieden. Allerdings haben die niedersächsischen Christdemokraten im Vergleich zur Landtagswahl vor fünf Jahren 470.000 von den knapp zwei Millionen Zweitstimmen des Jahres 2003 verloren, sogar fast 200.000 mehr als die Hessen-CDU.

Thiele betont, die sinkende Wahlkampferstattung sei „kein Drama“ für die CDU, da bereits nach den vorherigen Wahlen gespart werden musste. Offenbar will er nicht am Personalbestand knapsen. Die Christdemokraten beschäftigten im Land rund 60 Mitarbeiter. „Im Zweifel“, sagt Thiele, „wird nun jedoch die ein oder andere Veranstaltung künftig etwas kleiner ausfallen.“

Ähnliches gilt auch für FDP und Grüne. Die Liberalen verloren im Vergleich zu 2003 rund 40.000, die Grünen etwa 30.000 Stimmen. Übrigens: Auch die NPD, die 52.000 Zweitstimmen bekam, wird vom Steuerzahler dafür künftig mit 26.000 Euro jährlich unterstützt werden.