Das kaiserliche Vakuum

Oldenburg zeigt eine „Landesschau“ über Friedrich II., der sowohl Deutschland als auch Italien und Sizilien regierte. Nachdem man sich in der Konzeptionsphase allzu weit aus dem multikulturellen Fenster gelehnt hatte, ziehen sich die Macher jetzt auf eine bedauerlich thesenfreie Position zurück

AUS OLDENBURG HENNING BLEYL

Am Sonntag wird in Oldenburg – laut Ankündigung – „die erste große Mittelalterausstellung in Norddeutschland“ eröffnet. Die erste? Da staunt der Staufer, und auch der Welfe würde sich wundern. Gab es nicht, zum Beispiel in Braunschweig, „Heinrich der Löwe und seine Zeit“? Ebenfalls eine „Landesausstellung“, also von Niedersachsen finanziell entscheidend gefördert, und mit gut sechs Millionen Euro sechsmal üppiger ausgestattet als die Oldenburger Schau.

Man habe „Norddeutschland“ eben als Gebiet zwischen Dänemark bis kurz vor Hannover definiert, erklärt der zuständige Marketingmann. Sei‘s drum – den Staufern hätte dieses Welfen-Bashing ohnehin gefallen, sie waren schließlich ihre schärfsten Konkurrenten.

Es ist tatsächlich fast so etwas wie ein echter Staufer anlässlich der Ausstellung nach Oldenburg gekommen: Tassilo von Falkenhausen, durch den bürgerlichen Fehltritt irgendeines Ahnen zwar zum Freiherrn heruntergestuft, aber immerhin der Ururururururururururururururururururururururururenkel von Kaiser Friedrich II. Zum Mitzählen: Falkenhausen ist in 25. Generation direkter Nachfahre des Stauferkaisers, einem breiteren Fernsehpublikum wurde er als Protagonist von „Terra X – das Schloss der vergessenen Mumien“ bekannt. Dieser etwas splattermäßige Titel bezieht sich auf die raumklimatisch bedingte Unverwesbarkeit seiner Vorfahren im Keller des heimatlichen Schlosses. Jetzt in Oldenburg wirkt der Adlige ohnehin ausgesprochen fit: Er war Lehrer für Sport und Chemie an einem bayerischen Gymnasium, das alchimistische Interesse habe ja auch seinen Urahn schon ausgezeichnet, zwinkert das freiherrliche Auge.

Reicht das als Begründung des erstaunlichen Umstands, dass die Staufer-Ausstellung im „Landesmuseum für Natur und Mensch“ statt in dem für „Kunst und Kulturgeschichte“ läuft? Direktor Mamoun Fansa verweist auf das Friedrich‘sche Falknerbuch, das in der Ausstellung in der Tat eine große Rolle spielt – also auf die eher ornithologischen Aspekte der Geschichtsschau. Und stellt mit Blick auf die Oldenburger Museumskonkurrenz schlicht fest: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“

Dem kann man wenig entgegenhalten. Zumal es sich um Fansas letzten musealen Mahlgang handelt: Der ursprünglich aus Syrien stammende Direktor geht bald in den Ruhestand. Seine finale Großausstellung hatte Fansa eigentlich als offensiven Brückenschlag zwischen Okzident und Orient geplant, mit Friedrich II. als „Mittler und Wandler zwischen den Welten“, als historische Gegenfigur eines „Clash of Cultures“. Aber schon beim vorbereitenden Kolloquium im November 2006 flog ihm diese allzu positivistische Konzeption um die Ohren: Die eingeladenen Experten wie der Bamberger Mediävist Klaus van Eickel demontierten das verbreitete Klischee von der kaiserlichen Aufgeklärtheit und Toleranz und interpretierten die vermeintliche Islamfreundlichkeit des Herrschers als reinen Pragmatismus – dem viele Fälle grausamer Härte bei Sarazenenrevolten entgegenstünden. Selbst der Ruf des sizilianischen Kaiserhofs als Gelehrtenoase müsse mit Blick auf das deutlich größere Innovationspotential relativiert werden, das die norditalienischen Wissenschaftszentren seinerzeit entfaltet hätten.

Fansa hat aus diesem „Mythenmassaker“, wie die FAZ das Oldenburger Kolloquium nannte, seine Konsequenzen gezogen. Nun wäre es sicher sehr spannend gewesen, welche Perspektiven Fansa als arabischer Wissenschaftler etwa auf Friedrichs Kreuzzüge akzentuiert hätte. Doch die nun deutlich modifizierte Schau zieht sich auf eher Unverfängliches zurück. Statt in einer zentralen These sucht sie ihr Heil in der Vielfalt der Aspekte. Neben der Würdigung des Kaisers als Vogelkundler geht es unter anderem um Architektur: StudentInnen der Fachhochschule Oldenburg-Ostfriesland haben acht berühmte Stauferbauten wie das Castel del Monte neu vermessen, Modelle gebaut und rechnergestützte Rekonstruktionen erstellt. Das hat durchaus sinnlichen Reiz, aber die Entgrenzung von Wissenschaft beispielsweise wäre ein thematisch lohnenderer Fokus gewesen: Friedrich förderte Astronomie und Mathematik, führte aber auch Menschenversuche mit tödlichem Ausgang durch. Etwa zur Frage, wie lange man ohne Wasser überleben kann.

Die Ausstellung beschränkt sich auf die harmloseren wissenschaftlichen Verdienste des Kaisers. Etwa die Einführung der Null respektive der arabischen Zahlen, der auch wirtschaftliche Bedeutung zukam, weil die Kaufleute nun leichter multiplizieren konnten. Oder die erstmalige Einführung eines Approbationswesens für Ärzte.

Auch wenn sich die Ausstellungsmacher, verunsichert durch die Expertenschelte und das auch in der Fachwelt noch immer changierende Friedrich-Bild, jedweder allzu multikulti-verdächtiger Kommentierungen enthalten, erzählen die Objekte selbst durchaus von der Multikulturalität des Mittelmeerraumes. Eine normannische Glaskaraffe, gefertigt aus einem einzigen Bergkristall, demonstriert die Möglichkeiten der von den Arabern entwickelten Schneidetechnik, der Krönungsmantel ist sowohl mit Löwen als auch Kamelen und arabischen Segenswünschen bestickt. Insgesamt sind 180 Objekte von 96 Leihgebern zu sehen – ein ästhetisch ansprechendes Panoptikum, das sich freilich erst durch die Lektüre der Katalogtexte mit strukturellen Erkenntnissen verbindet.

„Kaiser Friedrich II., Welt und Kultur des Mittelmeerraums“. Ab Sonntag bis zum 15. Juni im Oldenburger Landesmuseum für Natur und Mensch, Am Damm 38 - 44