urdrüs wahre kolumne
: Willfährige Frettchen

Eine inzwischen verstorbene Frau aus Göttingen gab vor nunmehr 15 Jahren eine damals mit 60 Pfennig gültig frankierte Grußpostkarte an Verwandte in einem 80 Kilometer entfernten Dörfchen im Landkreis Hildesheim auf, die jetzt erst zugestellt wurde – gegen Zuzahlung von 96 Cent, wegen des inzwischen gestiegenen Portos. Wäre mir solches widerfahren, irgendein Autor könnte demnächst ein Drama im Michael-Kohlhaas-Stil verfassen über die Spur der Brandschatzungen und Verwüstungen, die ich in diesem Teile Niedersachsens gezogen hätte: Welch Fühlender vermag wohl solches Unrecht hinzunehmen ohne erbitterte Rebellion?

Dem Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Walter Zuckerer (für mich von der Optik her übrigens eine erstklassige Besetzung für die Rolle eines Geschäftsführers im Zentralverband mobiler Achter- und Geisterbahnen) möchte ich ein dickes Lob aussprechen für seine Bezeichnung „aufgeblasener Ochsenfrosch“ für den CDU-Senator Michael Freytag. Das ist doch mal was. Eine Kiste Schaumburger Pils lobe ich für den ersten im Parlament aus, der seinen Widersacher als „Hundsfott“, „verkeimter Speckjäger“ oder gar „willfähriges Frettchen der Bourgeoisie“ tituliert. Sie dürfen nicht aussterben, die gediegenen Schmeicheleien!

Am schwarzen Brett eines Waschsalons im Bremer Westen lesen wir diesen Aushang: „Hausfrau, 46, sucht dringend eine neue Wohnung mit großem Badezimmer, um eine Waschmaschine anschließen zu können.“ Zur Begründung: „Ich bin es statt, dass meine Schlüpfer und BHs hier immer wieder aus dem Trockner geklaut werden.“ Wer vermag nicht, diesen Wunsch nach Veränderung nachzuvollziehen?

Angesichts meiner Würdigung der Bremer SPD-Rentner Konrad Kunick und Horst von Hassel angesichts ihrer Teilnahme am Gedenken für die Helden der Räterepublik als „irgendwann vielleicht mal bündnisfähig“ für die Linke wirft mir ein praktizierender Sozialdemokrat der aktiven Parlamentsgarde allzu viel Altersmilde gegenüber diesen früheren Stamokap-Fressern vor. Ja, weiß der Genosse nicht, wie viel Jubel im Himmel über jeden reuigen Sünder herrscht?

Sehr geehrte Leitung des Karstadt-Hauses Mönckebergstraße: Als pfandflaschenvertreibender Betrieb sind Sie verpflichtet, derartige Behältnisse auch wieder zurückzunehmen. Wenn irgendeiner Ihrer Ladenschwängel nunmehr ehrbaren Flaschensammlern untersagt, ihr Pfandgut bei Ihnen abzuliefern, so stellt sich für mich als Kunde die Frage, an welchen Stellen Ihr Personal sonst noch gegen geltende Bestimmungen verstößt. Muss ich damit rechnen, künftig bei Ihnen Hackfleisch von vorgestern zu erhalten, aus dem die ersten Würmer für den Hobby- und Anglershop herausgeprokelt wurden? Wird man mir verschimmelten Gouda nach oberflächlicher Entfernung der grünen Schlieren noch als Sonderangebot über den Tresen reichen? So jedenfalls fragt sich inzwischen ULRICH „Glück & Glas“ REINEKING

ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist trennt sich von Erzeugnissen der Schaumburger Brauerei nur aus gutem Grund.