Diego Benaglio, Magaths Liebling
: Vorhang auf für Handschuh-Heintje
Es gibt Tage im Leben eines Torhüters, da läuft es einfach nicht. Kürzlich zu sehen bei Jens Lehmanns Betriebsausflug nach Wien. Es gibt aber auch Wochen, da läuft es einfach, da fliegt der Keeper scheinbar schwerelos durch seinen Fünfmeterraum, pflückt Flanken wie reife Kirschen und lacht nach jedem Spiel entspannt in die Kameras. Wolfsburgs neuer Schlussmann Diego Benaglio befindet sich momentan mitten in diesem Rausch perfekter Glückseligkeit.
Innerhalb weniger Wochen ist der 24-Jährige aus der Anonymität ins Rampenlicht des europäischen Fußballs gehechtet – aus dem portugiesischen Mittelfeldgrau in Madeira ins Blitzlichtgewitter des Wembley-Stadions, wo er die Eidgenossen im Alleingang vor einer deutlichen Niederlage bewahrte. Dazwischen machte er noch einen Abstecher nach Wolfsburg, wo er seit Rückrundenbeginn sein Geld verdient, und wurde im Zeitraffer Pokalheld und Publikumsliebling.
Zur Belohnung darf Benaglio bei der EM in seiner Heimat das Tor der Nationalelf hüten. Ganz schön aufregend. Andere Tormänner würden jetzt abheben und sich beispielsweise rosa Trikots überziehen. Doch Benaglio bleibt schön auf der Wiese. Trotz des Rummels um seine Person blickte er nach dem 2 : 1 Sieg über den MSV Duisburg, den er in der 90. Minute nach einem Grlić-Freistoß triumphierend festhielt, mit großen dunklen Augen zurückhaltend lächelnd in die Kameras. Und wirkte dabei wieder so harmlos wie einst Heintje.
Kein Wunder, dass dieser Benaglio Felix Magaths Liebling ist. Mit dem 1,93-Hühnen, den er bereits 2002 in der Schweiz entdeckt und von den Grasshoppers aus Zürich nach Stuttgart geholt hatte, konnte der Wolfsburger Coach nun endlich seine ganz persönliche Nummer eins zwischen die Pfosten stellen.
Denn Benaglio vereint alles, wonach Magath sucht, um aus den Wolfsburger Meistern der Belanglosigkeit ein Spitzenteam zu formen: Er steht für Erfolg und versprüht als Nationaltorhüter etwas, das sie in der Autostadt nur außerhalb des Stadions kennen: internationales Flair. Mit seinen gerade mal 24 Jahren ist Benaglio das Gesicht der VfL-Zukunft. Manchmal läuft es eben.
LUCAS VOGELSANG
