Keine Nelken dabei

Unruhe beim Einzug der Linken in den Landtag: Wer wird Vizepräsident, wer darf in die erste Reihe? Vor allem in der Bredouille: die FDP

Von KAI SCHÖNEBERG

„Wir lassen die Strickjacken und roten Nelken zu Hause“, versichert Tina Flauger. Die neue Fraktionschefin der Linken will in den kommenden fünf Jahren nicht Opposition in Turnschuhen und Wollweste betreiben so wie einst die Grünen. Dabei gibt es im Landtag an der Leine gar keine Kleiderordnung. Aber viele andere Vorschriften. Welche, das erfuhr die Linken-Spitze bei ihrem gestrigen Antrittsbesuch im niedersächsischen Parlament.

7,1 Prozent hatten sie vor gut zwei Wochen bei den Landtagswahlen eingefahren, am 26. Februar findet die erste, konstituierende Sitzung des Parlaments statt. Premiere für die elf Linken-Abgeordneten, die alle ohne Landtagserfahrung sind.

Die fünfte Kraft sorgt erst mal für Unruhe. „Gelassen im Umgang, entschlossen in der Sache“, gibt CDU-Fraktionschef David McAllister als neue Parole für die Behandlung der Linken aus. Das hört sich nach Zurückrudern an: Gerade McAllister hatte bislang nicht mit Kritik an den „Kommunisten“ gespart. Tina Flauger kann sich noch gut an den Wahlabend erinnern, als ihr im Landtag beileibe nicht jeder „Spitzenpolitiker“ der anderen Parteien die Hand geben wollte. „Erstklässler-Niveau“, sagt sie heute darüber.

Die Landtags-Regeln schützen viele Rechte der Minderheit, aber auch die der Mehrheit. Deshalb werden Linke und Grüne wohl nicht wie die drei größten Fraktionen CDU, SPD und FDP einen Landtags-Vizepräsidenten stellen, sondern nur Beisitzer im Landtags-Präsidium. Anders als bislang von den Christdemokraten gefordert, erhält die Linke jedoch nun einen Sitz im Verfassungsschutzausschuss und in allen anderen größeren Ausschüssen. Außerdem darf sie wie gewünscht ganz links im Halbrund sitzen. Das entschieden die Parlamentsgeschäftsführer am Montag – und stürzten damit die FDP in die Bredouille.

Zehn der besonders wichtigen Plätze in der ersten Reihe waren nämlich auch noch zu vergeben. Aber wo sollen die Liberalen sitzen? „Die FDP möchte gerne in die Mitte, obwohl wir angeblich die Mitte sind“, witzelt CDU-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Althusmann. Bislang saßen Grüne und Liberale, durch einen Gang getrennt, mittig zwischen CDU und SPD. Da die Linken-Abgeordneten aber ganz nach links rücken, stellt sich die für die Liberalen die Frage, ob ihr Fraktionschef Philipp Rösler direkt neben seinem grünen Amtskollegen Stefan Wenzel an einem gemeinsamen Pult Platz nehmen will – oder lieber ganz rechts außen, neben der CDU. Die Liberalen wollen sich das noch mal gut überlegen.

Wo sind die Abgeordneten-Büros? Wie lange dürfen die Parlaments-Neulinge reden? Wer sitzt in welchen Ausschüssen? Wie groß müssen diese sein, damit auch die Minderheit mit Sitz und Stimme vertreten ist? „Wichtig ist das Instrument der Kurzintervention“, erklärt Landtags-Mitarbeiter Franz Rainer Enste. Parlamentarier, die den Zettel mit einem „K“ heben, dürfen 90 Sekunden reden, aber nicht als Erwiderung eines Statements der Landesregierung. So will es die bisweilen vertrackte Geschäftsordnung des Landtags.

Die 41-jährige Flauger ist Datenverarbeitungs-Expertin, hat aber bislang im Büro eines Bundestagsabgeordneten der Linken gearbeitet. Deshalb ist ihr klar, dass parlamentarische Gepflogenheiten keine Schimpfwörter erlauben. Also darf es in Schriftstücken und im Plenum nicht „Schwachsinn“ heißen. Sondern eher „von Inhaltsleere gekennzeichnet“ oder „das spricht nicht gerade für mentale Überbegabung“. Landtags-Experte Enste sagt, dass die Niedersachsen eine Giftliste des Bundestags nutzen: mit Ausdrücken wie „Lügner“ oder „Nazigröße“.

Wie ist das mit Handys im hohen Haus, will Flauger wissen. Die müssen natürlich stumm geschaltet sein, sagt Enste. Zudem stelle der Landtag allen Fraktionschefs im Plenum Handys zur Verfügung, um Saaldiener oder Abgeordnete zu Abstimmungen zu rufen. Als Relikt aus alten Zeiten gibt es noch Knöpfe mit den Aufschriften B und S auf den Chef-Pulten – was für „Büro“ und „Saaldienst“ steht. „Nicht etwa“, führt Enste aus, „für Bier und Schnaps.“