Zeitarbeit muss sich lohnen
: Kommentar von Ulrike Herrmann

Für die Union hätte das Timing nicht unschöner sein können: Nach der Postbranche haben jetzt auch Zeitarbeitsfirmen einen Mindestlohn beantragt. Kurz vor der Hamburg-Wahl stehen die Christdemokraten erneut als Schurken da, die fleißigen Arbeitnehmern das Lebensminimum nicht gönnen.

Diesmal dürfte der Imageschaden für die Union sogar noch verheerender ausfallen als beim letzten Streit rund um den Post-Mindestlohn. Damals konnten die Christdemokraten immerhin insinuieren, dass der ehemalige Staatsmonopolist nur versuchen würde, seine privaten Konkurrenten vom Briefmarkt zu drängen. Es ließ sich die stets beliebte Geschichte von der unbeweglichen Beamtenbürokratie variieren, die mit egoistischem Eigensinn ihre Privilegien verteidigt. Diese Mär hat bei den Wählern zwar nicht wirklich verfangen, aber sie besaß zumindest eine gewisse Restplausibilität.

Bei der Zeitarbeitsbranche jedoch ist es für die Union sehr schwer zu begründen, warum dort ein Mindestlohn nicht möglich sein soll. Die beiden Arbeitgeberverbände BZA und iGZ, die ihn beantragen, repräsentieren sowohl die großen Vermittler wie den Mittelstand. Offenbar hat fast eine ganze Branche erkannt, wie anstrengend das Leben für Unternehmer ist, wenn sie nicht wissen, ob ein Wettbewerber dieselben Gehälter zahlt. Jede Firma muss jederzeit damit rechnen, dass die Konkurrenz die eigenen Preise unterbietet, nur weil sie die Löhne noch stärker drücken konnte. Unkontrolliertes Lohndumping schadet eben nicht nur den Angestellten. Sondern auch den Unternehmen. Gerade diese Allianz zwischen den Beschäftigten und ihren Chefs macht den Mindestlohn so unausweichlich.

Die Union scheint nur aus Überzeugungstätern zu bestehen. Würde sie taktisch denken, hätte sie das Thema Mindestlohn längst aufgegeben. Denn die Zeitarbeitsfirmen dürften keineswegs die letzte Branche sein, die eine Lohnuntergrenze anstrebt – Mindestlöhne sind auch in der Entsorgungswirtschaft oder bei den Wachleuten denkbar. Wenn die Union nicht bald umschwenkt, wird sie jedenfalls noch öfter erleben, dass der Mindestlohn ihren Wahlkampf stört.

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