Reformen an Gymnasien

betr.: „Die Turbo-Auslese. Die Krise des Gymnasiums und die der Hauptschule lassen sich nur gemeinsam lösen“, taz vom 11. 2. 08

Die stereotype Koppelung „Gymnasium“ und „reformresistent“, mit der Lehrer an Gymnasien als die Hauptschuldigen des Stillstands beschrieben werden, wird durch die gebetsmühlenartige Wiederholung nicht richtiger. Die neue Philosophie, die Christian Füller anmahnt, gibt es längst auch in den Köpfen vieler Gymnasiallehrer.

Und es gibt viele Reformen, gerade auch an den Gymnasien: In den letzten fünf Jahren ist eine Vielzahl zentraler Prüfungen und Prüfungsarten neu eingeführt worden (Vergleichsarbeiten, Mittlerer Schulabschluss, Zentralabitur, Fünfte Prüfungskomponente), die den Lernerfolg des Einzelnen deutlicher sichtbar und vergleichbar machen. Zeit und Raum für die notwendige individuelle Beratung der Schüler ist aber nicht eingeplant worden. Und: Wie ein einzelner Lehrer allein in einem engen, lauten Klassenraum mit 32 Schülern jeden Einzelnen fördern soll, das verrät auch Christian Füller nicht, das aber ist nach wie vor Alltag am Gymnasium! Unterdessen wurde parallel zu den Reformen durch die Verlängerung der Arbeitszeit Personal eingespart, die Klassen- und Kursfrequenzen und damit die Grundlage für die Berechnung von Lehrerstellen wurden heraufgesetzt, Neueinstellungen gab es allenfalls in homöopathischen Dosen. Ein immens gewachsenes Arbeitspensum muss inzwischen von immer weniger und immer älterem Personal bewältigt werden, dem man außerdem noch das Gehalt gekürzt und die letzte Möglichkeit von Altersermäßigung gestrichen hat. Die deutliche Zunahme von Langzeiterkrankungen und der damit einhergehende Unterrichtsausfall sind ein deutliches Alarmsignal: Ohne uns und unsere Begeisterung für unseren Beruf und unsere Schüler wäre das Berliner Gymnasium mit seiner skandalösen Mischung von unüberlegten Dauerreformen und noch immer wachsender Sparwut schon längst zusammengebrochen! Hört auf, auf den Lehrern herumzuhacken, hört lieber zu. Ihr braucht uns noch!

IMKE FISCHBECK-GRIESE, Berlin