Polemisierte Debatte

betr.: „Brauchen wir türkische Schulen?“ „Ja“, sagt Ulrich Raiser, „Nein“, sagt Hartmut Esser, taz vom 12. 2. 08

Ob man für oder gegen „türkische Schulen“ ist, hängt wohl sehr davon ab, was darunter verstanden wird. Wenn diese Debatte die Furcht vor einer türkischen Parallelgesellschaft anheizt (türkische Schulen als ethnisch abgeschlossene Institutionen), ist Erdogan in einen denkbar großen Fettnapf getreten. Dass zwischen Parallelkultur und Assimilation ein breites Spektrum an Lebensgestaltung existiert, gerät bei einer derartig polemisierten Debatte schnell aus dem Blickwinkel.

Muttersprachlicher Unterricht – in welcher Form auch immer – ist entscheidend für die Kinder, die sich in (mindestens) zwei Kulturkreisen zurechtfinden müssen: dem ihrer Eltern und dem des erweiterten eigenen Umfeldes. In Deutschland bleibt jemand mit Migrationshintergrund auch mit perfektem Deutsch Ausländer. Im Herkunftsland (was auch nur das Herkunftsland der Eltern sein kann) gilt man ebenfalls als Ausländer, noch eher, wenn man die Muttersprache der Eltern nicht oder nur mangelhaft beherrscht. Die pragmatische Orientierung am Arbeitsmarkt, wie Hartmut Esser sie vornimmt, hilft aus der dauerhaften Abschiebung in einen kulturellen Transitbereich nicht heraus. Geförderte Zweisprachigkeit bietet zumindest eine Orientierung im von mehreren kulturellen Einflüssen geprägten Alltag. PABLO V. FRANKENBERG, Tübingen