Werkeln an der neuen Schule

Als letztes Bundesland führt Schleswig-Holstein jetzt das verkürzte Abitur ein. Die neue Verteilung der Lehrinhalte bleibt den Schulen überlassen. Elternbeirat fürchtet Überlastung der jüngeren Schüler

VON KAIJA KUTTER

Im August wird Schleswig-Holstein an seinen 90 Gymnasien die Schulzeit auf 12 Jahre verkürzen – als letztes Land im Bund. Dass im hohen Norden nun die gleiche Überlastung der Gymnasiasten drohen könnte, wie sie jüngst TV-Moderator Reinhold Beckmann für Hamburg beklagte, verneint das Kieler Bildungsministerium. „Wir haben uns erst mal lange Zeit gelassen“, sagt dessen Sprecherin Patricia Zimnik. Daher sei man „von der überhasteten Einführung nicht so betroffen“.

So habe Schleswig-Holstein bereits sehr moderne Lehrpläne eingeführt, die an Kompetenzen und „nicht so am Stoff orientiert“ sind, führt Zimnik aus. Auch seien die zusätzlichen Unterrichtsstunden „altersgerecht“ verteilt worden: „Wir haben ganz viel in die Oberstufe gelegt, wo wir bisher noch Freiräume hatten.“ Konkret sollen die 5. und 6. Klassen immerhin 32 Stunden die Woche haben, die übrigen Klassenstufen 7 bis 12 kommen auf 34 Stunden.

Außerdem sei es gelungen, die Hälfte der Gymnasien zu offenen Ganztagsschulen mit Mittagessen und Hausaufgabenhilfe umzuwandeln, sagt Zimnik. Zudem habe man die Schulzeitverkürzung seit 2001 an neun Modellschulen erprobt – „die Erfahrungen sind gut“, sagt Zimnik.

Die beteiligten Schulleiter reisten nun durch die Lande, um andere Schulen zu beraten. An acht dieser Schulen waren nur einzelne Klassen beteiligt, mit „handverlesenen Schülern“, wie Kritiker sagen. Nur das Klaus-Grothe-Gymnasium in Neumünster hat für alle seine Schüler die Schulzeit verkürzt.

„Von dieser Schule hört man nicht viel Negatives“, sagt auch Bernd Schauer von der GEW Schleswig-Holstein. Dennoch sei die Gewerkschaft grundsätzlich gegen die Verkürzung und skeptisch, ob sie funktioniert. „Das Problem bleibt, dass die 5., 6. und 7. Klassen sehr viel Stunden haben“, sagt Schauer. Da es nur ein einziges „richtiges Ganztagsgymnasium“ gebe, fehlte den meisten Schulen die Möglichkeit, den langen Schultag zu rhythmisieren. Schauer: „Wir fordern, dass schnellstens gebundene Ganztagsschulen eingeführt werden.“

Auch Elke Krüger-Krapoth vom Landeselternbeirat der Gymnasien sagt: „Wir sind mit der Planung längst nicht fertig.“ So fehlten der Hälfte der Gymnasien noch gute Mensen, fast überall mangele es an Ruhebereichen für Lehrer und Schüler. Da 70 Prozent aller Gymnasiasten in dem Flächenland „Fahrschüler“ seien und teilweise schon um 6 Uhr 30 aus dem Haus müssten, könne man sie an langen Schultagen „unmöglich nur mit Broten abspeisen“, so Krüger-Krapoth. Sie fürchtet auch eine Überlastung der 5.- und 6.-Klässler, die an einem Nachmittag pro Woche Unterricht haben: „Das sind zehnjährige Kinder. Die brauchen noch Zeit zum Spielen.“ Krüger Krapoth regt an, darüber nachzudenken, den 5. Klassen generell keine Hausaufgaben zu geben.

Eine Überlastung befürchtet dagegen Helmut Siegmon vom Philologenverband Schleswig-Holstein nicht: „Das kann man rhythmisieren.“ Gleichwohl sei die Schulzeitverkürzung „nicht gut vorbereitet“. So sei der Zeitpunkt schlecht, da es ohnehin gerade einen Nachwuchsmangel in Fächern wie Latein, Spanisch, Physik, Musik und Naturwissenschaften gebe. Wenn die zweite Fremdsprache für 400 Klassen schon in Klasse 6 beginnt, könnten die Schulen nicht mehr ausreichend mit Sprachlehrern versorgt werden. Auch sei es ungünstig, dass das Ministerium keine Rahmenpläne vorgebe.

Zwar gibt es die neuen, kompetenzorientierten Lehrpläne für das neunstufige Gymnasium. Doch wie die auf Jahre neu verteilt werden, bleibt der einzelnen Schule überlassen, das räumt auch Patricia Zimnik ein: „Die Schulen haben dadurch die Möglichkeit ihre Profile zu stärken.“ Es werde aber zu Schuljahrsbeginn eine Art „Lesehilfe“ für den Lehrplan geben. Zusammen mit den neuen Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz sowie den Prüfungsanforderungen für Abitur hätten die Schulen dann „vier Eckpunkte“, sagt Zimnik, „auf denen sie ein Gebäude errichten können“.