hamburger szene
: Harter Tag

Ein kalter Freitagabend im Schanzenviertel. Vor dem Billig-Blumenladen stehen die Kunden Schlange quer über den Bürgersteig, wie jede Woche. Alle wollen noch schnell einen Farbtupfer für ihr Winterwochenende.

Eine Frau, die ergrauten Haare hochgesteckt, Perlenohrringe, hat einen Arm voll Tulpen ergattert, 50 Stück für zehn Euro, und bahnt sich ihren Weg durch die wartende Menge. Am Ärmel streift sie dabei einen Mittdreißiger mit zackigem Kurzhaarschnitt, tief herunterreichenden Koteletten und langen, spitzen Lochmuster-Schuhen aus diesem auf alt gemachten Leder. Er motzt der Frau hinterher: „Reden hilft.“ Sie dreht sich fragend um, aber ihm ist offenbar nicht nach Erklärungen zumute. Stoisch wiederholt er seine beiden Worte. Sie braucht noch einen Augenblick, bis sie weiß, was er meint. „Kucken auch“, antwortet sie hanseatisch trocken und stapft davon. „Alte Frau!“, blökt er ihr hinterher. Seltsam, denke ich. Was hat das jetzt damit zu tun?

„Ist doch wirklich unmöglich, sich hier so durchzudrängeln“, sagt er mit um Unterstützung heischenden Blick in die Wartegemeinschaft. Ich zögere einen Moment. Als alle unbeteiligt bis peinlich berührt weg sehen, sage ich: „Aber ‚alte Frau‘ ist ja wohl auch echt unter Niveau.“ „Stimmt“, räumt er ein, „aber ich hatte einen verdammt harten Tag. Da passt das dann schon.“ Dann stellt er die riesig langen Schuhe ein wenig nach außen, steckt die Daumen in die hinteren Hosentaschen und drückt die Brust raus. JAN KAHLCKE