Bioweine vom anderen Ende der Welt

Australische Massenweine haben den Ruf der Winzer dieses Kontinents zwischenzeitlich beschädigt. Doch es hat sich einiges getan down under: Ihre Tropfen sind heute schlanker, eleganter und zunehmend biologisch angebaut

Sie waren die Kassenschlager der 90er-Jahre – schwere, dickflüssige, alkoholreiche Tropfen mit überbordenden Aromen von Waldbeermarmelade, Vanille und Schoko. Australische Weine offerierten viel Geschmack für wenig Geld. Doch Enthüllungsgeschichten über angeblich dubiose Herstellungsmethoden (viele davon gehören heute zum Grundwerkzeug manches europäischen Weinbaubetriebs) wie den Einsatz von Holzchips statt echter Barriques, spezieller Reinzuchthefen zur Aromenverstärkung und anderer gebranntmarkter Chemikalien ließen die Massenweine aus Down Under vielerorts zu Ladenhütern verkommen. Zu Unrecht. Denn die australischen Winzer haben dazugelernt: Ihre Tropfen sind heute schlanker, eleganter und zunehmend biologisch angebaut.

Sucht man down under nach Bio, stolpert man nicht nur über so eindeutige Weinnamen wie „Don’t Mess With Mother Nature“, „Organic Wine Selection“ oder „Organic Vignerons“. Auf dem Multikulti-Kontinent begegnet man auch schnell europäischen Namen. Manche davon so bekannt wie Michel Chapoutier.

Der Syrah-Künstler von der Rhone ist seit dem Ende der 1990er-Jahre in der zweiten Heimat seiner Lieblingsrebsorte – hier heißt sie Shiraz – aktiv. Besonders in den kühleren Klimaten sieht er großes Potenzial für biodynamisch angebaute Spitzenweine – nicht nur im Rhone-Stil, wie die Tropfen seines Tournon Estate am Mount Benson in Südaustralien.

Neben dem Klima birgt der australische Kontinent für europäische Weinhersteller nämlich noch einen ganz anderen Schatz. Australien ist weitgehend reblausfrei – das kleine Insekt zerstörte im 19. Jahrhundert von Bordeaux bis Baden weite Teile des europäischen Rebbestandes. Heute stehen auf den Weinhügeln der Alten Welt reblausresistente amerikanische Unterlagsreben mit aufgepfropften heimischen Rebsorten.

Chapoutier hat nun Ableger der letzten sogenannte „Pre-Reblaus“-Syrah-Rebstöcke aus Frankreich mit nach Australien gebracht. Diese stehen jetzt gemeinsam mit australischem Shiraz in den Tälern Heathcotes im südlichen Victoria und werden biodynamisch gepflegt. Herauskommen soll das „Beste der beiden Welten“. Noch lässt dieser Wein aber auf sich warten.

Doch biodynamischer Anbau blickt auch in Australien auf eine längere Geschichte zurück. Ein Vorreiter war etwa das von der Familie Caracatsanoudis 1976 gegründete Weingut Robinvale in Murray Darling.

„Man merkt, dass Australien eine multikulturelle Gesellschaft ist, wenn man eine Familie mit griechischer Abstammung findet, die Weine herstellt, die nicht nur den Demeter-Standards entsprechen, sondern auch koscher sind und von Veganern und Vegetariern getrunken werden können“, so Weinkritiker James Halliday, der etwa den 98er Cabernet Sauvignon mit 84 Punkten bedachte.

Denn in Robinvale werden seither nicht nur Trauben ohne die Verwendung von Pestiziden oder Herbiziden angebaut, der Wein wird im Keller auch weder geklärt (dazu werden oft Mittel verwendet, die Hühner-Eiweiß oder Fisch enthalten) noch mit Sulfiden stabilisiert. Beides ist bei der Weinherstellung weltweit gang und gäbe. In Australien muss aber die Verwendung tierischer Produkte und Sulfite auf dem Etikett angegeben werden.

Noch weiter gehen nun Weingüter wie Tamburlaine im Hunter Valley oder Cullen in Margaret River, südlich von Perth. Sie verfolgen ganzheitliche Weinbaukonzepte, die neben der biologisch einwandfreien Behandlung der Reben, Trauben und des Weins auch eine Umweltbilanz beinhaltet. So optimiert etwa Tamburlaine nebenbei noch Verpackung, Müllentsorgung, Wasserwiederbenutzung und Energieeffizienz. Zuletzt ersetzte das im heißen Norden Sydneys gelegene Weingut sein gekühltes Lagerhaus durch eines aus Strohballen, um dessen natürlichen Klimaausgleich zu nutzen.

In Neuseeland, wo Weingüter mittlerweile angehalten werden, eine Klimabilanz zu erstellen, gibt es bereits die ersten „klimaneutralen“ Weine, etwa von Grove Mills in Marlborough. Dabei reduziert das Weingut nicht nur den eigenen Kohlendioxid-Ausstoß, sondern muss verbrauchtes Kohlendioxid durch Investitionen in Renaturierungsprojekte zurückkaufen.

Doch der Klimawahn in Ozeanien treibt auch manche Stilblüte. So hat der wegen der zunehmenden Trockenheit in Australien eingeführte Handel mit Wasserrechten dazu geführt, dass manch Weinbauer, statt Wein anzubauen, nun mit den sehr gefragten und damit teuren Rechten handelt. Bei der letzten Ernte fehlte es den Weinherstellern dadurch mancherorts am Grundprodukt für ihre Weine, das nun aus anderen Ländern und von anderen Kontinenten zugekauft werden muss. Manch Hersteller will nun die „Weltcuvée“ ausrufen. Das kann weder im Sinne des Klima- und Umwelt- noch des Weinschutzes sein!KATJA APELT