Pflegekräfte ohne Nachwuchs

Die Hamburgische Pflegegesellschaft beklagt den zunehmenden Fachkräftemangel in der Altenpflege. Für die Ausbildung fehlt Geld, das die Sozialbehörde nicht locker machen will

VON ANNA-LENA WOLFF

Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird die Zahl der Pflegebedürftigen bundesweit von rund 2,4 Millionen im Jahr 2010 aufgrund demografischer Entwicklungen bis zum Jahr 2050 auf etwa 4,7 Millionen ansteigen. Doch schon jetzt haben Pflegeeinrichtungen Schwierigkeiten, freie Stellen mit ausreichend qualifiziertem Personal zu besetzen – auch in Hamburg.

„Die stationären Einrichtungen können nicht so viele Fachkräfte ausbilden, wie in der Pflegebranche derzeit gebraucht werden“, sagt Jens Stappenbeck, Geschäftsführer der Hamburgischen Pflegegesellschaft (HPG). Er schlägt vor, auch in ambulanten Betrieben Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Doch hierfür fehlen bislang geeignete Finanzierungsmöglichkeiten.

Die HPG fordert eine Refinanzierung der Ausbildungsvergütung aus städtischen Mitteln, dieses lehnt die Behörde für Soziales und Gesundheit ab. „Wir haben viele Gespräche mit der HPG geführt, aber wo wir den kleinen Finger anbieten, wollen sie die ganze Hand“, sagt Behördensprecherin Jasmin Eisenhut.

Die gesetzlich vorgesehenen Finanzierungsmodelle der Altenpflegeausbildung hält die HPG für ungeeignet. Denkbar wäre zum Beispiel die Umlagelösung, bei der Betriebe, die nicht ausbilden in einen Fonds einzahlen, aus dem ausbildende Betriebe Unterstützung erhalten. Da der HPG jedoch nur 90 Prozent der Pflegedienstleister angehören, fürchtet Geschäftsführer Stappenbeck, dass die anderen zehn Prozent keine entsprechende Vereinbarung eingehen würden und aus der Umlagelösung Vorteile ziehen könnten: „Um Geld in einen derartigen Fonds einzuzahlen, müssten die Mitglieder der HPG ihre Einzeldienstleistungen verteuern und wären somit eindeutig in einem Wettbewerbsnachteil.“

Eine andere Möglichkeit ist das zwischen Pflegekassen, Leistungsanbieterverbänden und Sozialhilfeträgern vereinbarte Vergütungssystem. Es sieht vor, dass Träger von ambulanten Pflegediensten ihre Preise um ein Prozent anheben dürfen, wenn sie ein anerkannter Ausbildungsbetrieb sind. Auch hier würden die höheren Preise aber eventuell einen Wettbewerbsnachteil zur Folge haben. Weiter kritisiert Stappenbeck, dass die Kosten für Ausbildungsplätze bei beiden Lösungen an den Pflegebedürftigen hängen bleiben würden, da diese in der ambulanten Pflege alle Kosten, die ihren Pflegesatz übersteigen, selbst tragen müssen.

Gleichzeitig liegt hier jedoch die Begründung für Stappenbecks Forderung nach einer städtischen Finanzierung der Ausbildungsplätze: In 40 Prozent der Fälle sind Pflegebedürftige gleichzeitig Sozialhilfeempfänger. Bei den so genannten „Aufstockern“ trägt die Sozialbehörde die Mehrkosten. Würden nun die Pflegedienste ihre Einzelleistungen verteuern, so müsste die Sozialbehörde bei 40 Prozent der Pflegebedürftigen eben diese Kosten übernehmen.

Stappenbeck schlägt vor, diesen Betrag als festen Satz für die Ausbildungsvergütung bereitzustellen. Doch dagegen sperrt sich die Sozialbehörde. Sie argumentiert, dass auch einer Bäckerei durch die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen Kosten entstünden. Doch während diese einfach die Brötchenpreise erhöhen kann, um die Mehrkosten zu kompensieren, sind die Dienstleistungen der Pflegeeinrichtungen durch Vorgaben der Sozialbehörden und Pflegekassen preisgebunden. „Das Bäckerargument ist so alt wie das Problem“, sagt Stappenbeck. Er hofft weiterhin auf die Einsicht der Hamburger Sozialbehörde.