Uni ohne Abi bald leichter

Der Hochschulzugang für Menschen ohne Abitur wird deutlich vereinfacht. Berufserfahrung soll künftig Seminare ersetzen können. Der RCDS ist „besorgt“, die Arbeitnehmerkammer erfreut

Von Christian Jakob

Menschen ohne Abitur sollen künftig deutlich leichter in Bremen studieren können. Für einen entsprechenden Antrag von SPD und Grünen stimmten am Dienstag alle Bürgerschaftsfraktionen – außer der CDU.

„Die Unis machen viel zu wenige Angebote für Leute, die nicht traditionell studieren,“ so die wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sybille Böschen, zu Beginn der Debatte. Ein „negativer Bildungssaldo“ zwinge zum Handeln, so Silvia Schön von den Grünen. Gemeint ist: Mehr Akademiker gehen in Rente, als von den Hochschulen nachkommen und zu wenige Berufstätige machen sich die Mühe eines späten Studiums, als dass durch sie der Fachkräftemangel ausgeglichen würde.

Nach Angaben der Hochschulrektorenkonferenz haben sich im vergangenen Wintersemester 27 Menschen ohne Abitur an den Bremer Hochschulen für ein Vollstudium eingeschrieben. Das ist ziemlich genau jeder tausendste Studierende.

Derzeit müssen Uni-Anwärter, die kein Gymnasium abgeschlossen haben, eine Einstufungsprüfung ablegen. Hierfür wird jedoch nur zugelassen, wer eine abgeschlossene Ausbildung und mindestens drei Jahre Berufstätigkeit nachweisen kann. Zudem müssen die Aspiranten in Bremen wohnen und an beruflichen Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen haben.

Das wird künftig anders. Meistern steht der Weg an die Hochschulen direkt offen, sie sollen sich die Einstufungsprüfung sparen können. Auch der bisher nötige Wohnsitz im Land Bremen entfällt als Voraussetzung. Zudem soll eine abgeschlossene Ausbildung ausreichen, die dreijährige Berufspraxis ist nicht mehr nötig. Entscheidend aber: Praktische Erfahrungen sollen weit stärker als bisher als Studienleistung angerechnet werden. „Viele Jahre berufliche Tätigkeit haben an der Uni bisher gar nichts genützt“, so die SPD-Politikerin Böschen. Künftig sollen Berufspraktiker von Studienmodulen befreit werden, wenn sie vergleichbare Kenntnisse hätten.

Genaue Regelungen sollen in Zusammenarbeit mit den Kammern und den Hochschulen entwickelt werden. Diese sollen in die neue Fassung des Hochschulgesetzes einfließen, das im Herbst von der Bürgerschaft verabschiedet werden soll.

„Mit Besorgnis“ reagierte der „Ring-Christlich-Demokratischer Studenten“ auf den Bürgerschaftsbeschluss. „Eine bloße Herabsetzung der Anforderungen“ nutze „gar nichts“ gegen Fachkräftemangel, so der RCDS-Landesvorsitzende Tobias Siewert. Man riskiere „ein Absinken des Niveaus“, „wertet das Gymnasium ab“ und „schadet Schulen und Wissenschaft“.

Peter Beier, Bildungsexperte der Arbeitnehmerkammer, begrüßte hingegen den Vorstoß. „Das war auf jeden Fall notwendig.“ Die neuen Regelungen könnten Berufstätige ermutigen, ein Studium aufzunehmen. Wichtig sei jedoch eine ausreichende Ausstattung des derzeit in Berlin vorbereiteten Aufbau-BAFöGs für diese Studierenden.