Nordlichter wollen fusionieren

Eine Bertelsmann-Umfrage zu der Akzeptanz des Föderalismus zeigt: Die Deutschen halten viel von ihrer Kommune aber wenig von den Bundesländern. Besonders die Norddeutschen

VON KLAUS WOLSCHNER

Jeder vierte Bürger hält die Bundesländer für überflüssig. Diese knappe Aussage ist das provozierende Ergebnis einer umfangreichen Befragung, die das Institut Infas im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung gemacht hat. Besonders im Norden ist die Identifikation mit der Ebene der Bundesländer gering: In Hamburg und in Bremen finden 57 Prozent der Befragten einen „Zusammenschluss mit einem Nachbarland“ eher sinnvoll, nur 40 Prozent lehnen das ab.

Nun könnte man vermuten, dass dies damit zusammenhängt, dass 40 Prozent der Bewohner der Stadtstaaten nicht dort geboren sind: Überdurchschnittlich viele geben an, dass der Studien- oder Ausbildungsplatz der wichtigste Grund für die Wahl des Wohnsitzes war. Aber in Schleswig-Holstein, wo mehr Menschen leben, weil sie hier geboren sind, ist die Mehrheit für einen Zusammenschluss genauso groß, und in Niedersachsen sind es immerhin 55 Prozent.

In Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder etwa Sachsen ist die deutliche Mehrheit gegen einen Zusammenschluss, nur in Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben die Zusammenschluss-Befürworter eine ebenso klare Mehrheit wie im Norden.

Infas hat in jedem Bundesland 250 Bürger telefonisch befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass überall die Identifikation mit dem Wohnort besonders hoch ist. Auf die Frage, welche politische Ebene zukünftig eine stärkere Rolle spielen sollte, wird die Kommune am Häufigsten genannt. Es folgen in Norddeutschland die EU und die Bundesebene auf Rang zwei, das Bundesland liegt weit abgeschlagen hinten. Umgekehrt sind rund ein Viertel der Bundesbürger sogar der Ansicht, dass Bundesländer komplett überflüssig seien – in Bremen sind das 24 Prozent, in Hamburg 20 Prozent, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen 27 beziehungsweise 28 Prozent. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt bei dieser Frage mit 29 Prozent an der Spitze – in Nordrhein-Westfalen wie in Niedersachsen ist den Interviewten auf die Frage, was sie denn Besonderes mit ihrem Bundesland verbinden, schlicht gar nichts eingefallen.

Spitze ist dagegen Bremen bei der Antwort auf die Frage, ob der Länderfinanzausgleich beibehalten werden sollte – 90 Prozent wollen das Geld. Im norddeutschen Geberland Hamburg sind immerhin noch 73 Prozent dafür. In den beiden Stadtstaaten befürwortet knapp die Hälfte der Befragten gleichzeitig ein „Schuldenverbot“ in der Verfassung – nur in Sachsen und Sachsen-Anhalt sind das deutlich mehr.

Nicht nur von den Bundesländern, auch vom „Wettbewerbsföderalismus“, also der Konkurrenz zwischen den Ländern, halten die Bundesbürger wenig. Sie sind in der überwältigenden Mehrheit für einheitliche Steuersätze. 90 Prozent in Hamburg und Schleswig-Holstein, in Bremen und Niedersachsen sogar 94 Prozent wollen „bundeseinheitliche Bildungsstandards“ von den Kitas bis zur Universität. Und zwei Drittel der Bundesbürger wollen nach dieser Befragung, dass nur der Bund Deutschland in Brüssel vertritt, nicht die Länder.

„Die Länder haben Probleme, als eigenständige politische Ebene wahrgenommen zu werden“, fassen die Autoren der Bertelsmann-Studie ihre Ergebnisse zusammen. Aber auch bei den kommunalen Bindungen gibt es Unterschiede: „Die Kommunalbindung in Bremen ist die Schlechteste“, sagt Bertelsmann-Autor Ole Wintermann.