Jukebox

Kolossales Alter und der Joker bein Leben im Krieg

Was man über Neil Young alles wissen könnte:

(1998) Ist das noch The Loner? Mit seinem altmodischen Bolschewistenkäppi und dem Anti-AKW-T-Shirt sieht er mittlerweile eher aus wie Udo Lindenberg. Frisch vom Gewerkschaftsjugendtreff, Mr Young? Wie kommt es zu dem dick aufgetragenen amerikanischen Red-White-&-Blue-Pathos? Wieso überhaupt Rockin’ in the free World? Und vor allem – das gleich vorneweg: Warum ist diese Platte trotzdem so gut?

(1991) Oder anders gesagt: Neil Young und seine drei Begleiter sind altmodisch, aber nicht die Spur sentimental.

(1992) Doch etwas Sektierertum muss bei einem Mann wie diesem schon in Kauf genommen werden, will man in den Genuss der Früchte der Beharrlichkeit kommen. „Harvest Moon“ ist eine Art Tribute to…-LP, mit der Young zentrale Glaubensinhalte junger amerikanischer Aussteiger der Früh-70er noch einmal auf sanfter Flamme hochköchelt: Fischen und Jagen und so weiter.

(1995) Falls überhaupt auf etwas Verlass ist, dann auf Neil Youngs Starrsinn.

(1998) Die Band, die auf der Bühne steht, scheint sich in Zeit und Land geirrt zu haben. Irgendeine unbekannte Konjunktur der schallplattenproduzierenden Industrie hat sie hierher verschlagen… vielleicht auch nur eine versuchte Heimholung der alten Idole ins allamerikanische Pantheon. Weiß Dylan überhaupt, wo er sich hier befindet? Der Meister trägt Schwarz und schweigt beharrlich, die Begleitung klampft. So stur ist nicht mal Neil Young!

(2006) Young hätte nach „Ohio“ das werden können, was man so totalisierend wie falsch die „Stimme einer Generation“ nennt. Dass er einen anderen Weg gewählt hat und in mühevoller und schmerzhafter Karrierezerstörungsarbeit immer alle Positionen umgeworfen hat, die ihn in die Gefahr brachten, für irgendjemand anders zu sprechen als für sich selbst, gibt ihm heute die Autorität und die Glaubwürdigkeit, genau dies wieder zu tun: eine Haltung zu finden, die nur seine ist, genau deshalb aber universell für alle funktioniert.

(2008) Die Charts im Februar: Song: „Looking for a Leader“ – Neil Young. Wurde 2006 als „naiv“ verspottet. Enthielt damals schon die schöne Zeile: „Maybe it’s Obama“.

Schrieben Thomas Groß, Ulf Erdmann Ziegler, Anke Westphal, Tobias Rapp, Peter Unfried in der taz über Neil Young, der schon so viel länger im Geschäft ist als die taz. KOMPILATION TM

Am Dienstag spielt Neil Young im Berliner ICC. Das Konzert ist ausverkauft