hamburger szene: Kultur statt Kalbsleberwurst
Fünfhundert Gramm Gehacktes bitte und drei Polnische – solche Sätze finden in der Wilhelmsburger Fährstraße fürs Erste kein Gehör mehr. Seit mehr als 80 Jahren war hier eine Fleischerei. Jetzt hat Kenan Kaya, der letzte Besitzer, den Laden geschlossen: Es lohnt sich nicht mehr. Es geht hier nicht mehr um die Wurst.
Die Auslagen sind längst leer. Nur der Geruch ist noch da – nach Wurst. Und ganz hinten im Räucherofen hängen auch noch ein paar Würste – gestiftet von der Fleischer-Innung. „Das ist Eins-A-Ware“, sagt Jörn Waßmund mit Kennerblick. Sein Vater ist Fleischer, dessen Vater hatte den Laden bis 1968 geführt. Jörn Waßmund ist Kultur- und Theaterpädagoge – und als er erfuhr, dass es zu Ende geht mit dem Laden, dachte er: „Da muss man doch was machen.“ Also machte er. Und weil er keine Würste kann, machte er Kultur. Er holte das Wilhelmsburger Künstlerkombinat „Lädenleuchten“ ins Boot, fragte in der Szene herum und kreierte daraus eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel: „Fleisch – ein Stück Lebenskunst.“ Unter anderem sang der Frauenchor der Fleischerinnung, der Autor Stevan Paul lud zu einer Lesung, jetzt am Wochenende zeigen die Künstler von „Lädenleuchten“ ihre Werke. Und jedes Mal kommen die alten Wilhelmsburger und erzählen, wie sie früher in der Fleischerei Waßmund eingekauft haben. „Rührend“, sagt Enkel Jörn.
Wenn die Wurst im Ofen aufgegessen ist, wird zugesperrt. Nur der Geruch darf dann noch bleiben. FLORIAN ZINNECKER
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