Egal wen, Hauptsache richtig

Kumulieren und Panaschieren für Anfänger und Fortgeschrittene. So verhindern Sie, dass Ihr Stimmzettel Makulatur wird. Eine Gebrauchsanweisung zur Hamburger Bürgerschaftswahl

VON GERNOT KNÖDLER

Die Bürgerschaft und die sieben Bezirksversammlungen werden am morgigen Sonntag nach einem neuen Wahlrecht bestimmt. Eingeführt wurde es per Volksentscheid, von der CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft aber in wesentlichen Teilen wieder verändert. Es eröffnet Ihnen mehr Einfluss auf die Wahl einzelner KandidatInnen. Dadurch wirkt die Stimmabgabe etwas komplizierter als bisher. Aber keine Angst: So schwer ist es nicht.

1. Sortieren Sie sorgfältig den Packen Zettel, der Ihnen vor dem Betreten der Wahlkabine ausgehändigt wird.

Am Sonntag bestimmen Sie über die Zusammensetzung der Bürgerschaft und auch Ihrer jeweiligen Bezirksversammlung. Dafür erhalten Sie vier Stimmzettel und zusätzlich zwei Listen mit jeweils allen Kandidaten für die Bürgerschaft und für Ihre Bezirksversammlung – nur so zur Information.

2. Merken Sie sich, wie das Wählen für die Bürgerschaft funktioniert. Die Wahl der Bezirksversammlung funktioniert nach dem gleichen Muster.

Sie erhalten einen gelben Zettel mit den Parteien für die Bürgerschaftswahl (Landeslisten) und einen rosa Zettel mit den Parteivorschlägen für Ihren Bürgerschaftswahlkreis (Wahlkreislisten). Der gelbe Zettel mit den Landeslisten entspricht dem bei früheren Wahlen. Sie kreuzen darauf eine Partei an und fertig. Bei den – neuen – rosa Wahlkreislisten haben Sie fünf Stimmen, die Sie einer Person geben oder auf mehrere verteilen können – auch über Parteigrenzen hinweg.

Für die Bezirksversammlungswahl gibt es dementsprechend einen grünen Zettel mit den Bezirkslisten – wieder nur eine Stimme für eine Partei – sowie einen blauen Zettel mit den Wahlkreislisten und bis zu fünf Stimmen für Personen. Auch hier dürfen Sie nach Lust und Laune oder Überzeugung kumulieren – Stimmen häufeln – und panaschieren – Stimmen verteilen.

3. Achten Sie besonders darauf, welcher Partei Sie Ihre Stimme auf dem Landes- und Bezirkslistenwahlzettel geben.

Die Stimmen für die Landeslisten – gelber Zettel– entscheiden über das Sitzverhältnis der Parteien in der Bürgerschaft. Das Gleiche gilt bei den Bezirkslisten – grüner Zettel – für die Bezirksversammlung. Gewertet werden dabei nur die Stimmen der Parteien, die es geschafft haben, über die Fünf-Prozent-Hürde zu hüpfen.

4. Pfuschen Sie den Parteien mit Hilfe der Wahlkreislisten ins Handwerk.

Dadurch, dass die Parteien die Reihenfolge der KandidatInnen auf ihren Landes- und Bezirkslisten festlegen, können diese auch bestimmen, wer ins Parlament einzieht. Die einer Partei zustehenden Sitze werden nach der Reihenfolge ihrer Kandidatenvorschläge verteilt. 50 der 121 Sitze der Bürgerschaft werden so vergeben, deshalb stehen die jeweiligen SpitzenkandidatInnen eben auch an der Spitze – auf Platz 1 der Landesliste.

Auf den Wahlkreislisten dagegen können Sie direkt bestimmen, wer einen der übrigen 71 Sitze erhalten soll. Die Reihenfolge der KandidatInnen auf dem Zettel zählt nur bedingt: Wenn Kandidatin 4 von Partei B mehr Stimmen erhält als ihr Parteifreund auf Platz 1, erhält eben sie das Mandat, das Partei B zusteht. KandidatInnen, die sich in ihrem Wahlkreis durchgesetzt haben, erhalten also ein Mandat.

5. Wenn Sie an jeder Partei was Schlechtes finden, wählen Sie eben den Kompromiss.

Das Häufeln und Verteilen der Stimmen ist ideal für WählerInnen, die sich nicht für eine Partei entscheiden können. Paradox abzustimmen ist möglich, etwa indem Sie die Landesliste der Linken wählen, aber auf der Wahlkreisliste CDU- und FDP-KandidatInnen ankreuzen.

6. Keiner zwingt Sie, alle Wahlzettel ausfüllen und alle Stimmen zu verteilen.

Geben Sie einen oder mehrere der vier Wahlzettel unausgefüllt oder falsch ausgefüllt ab, bleiben die Übrigen gültig. Auch wenn Sie weniger als fünf Kreuze auf den Wahlkreislisten verteilen, bleiben diese Stimmzettel gültig. Nur zu viele Kreuze dürfen Sie nicht machen.

7. Die Kopfleiste auf den Wahlkreisstimmzetteln wird einbezogen.

Oben auf den Wahlkreislisten für Bürgerschaft – rosa – und Bezirksversammlung – blau – können Sie unter jedem Parteinamen die Rubrik „Gesamtliste“ ankreuzen. Dies würde naheliegen, wenn Sie keinen der Wahlkreiskandidaten kennen oder Ihnen keiner zusagt oder Sie volles Vertrauen zu der Auswahl und Reihenfolge haben, die von den Parteien vorgegeben wurde. Dann erhält Kandidat 1 das erste Mandat für seine Partei, Kandidatin 2 das eventuelle zweite und so weiter.

Wenn Sie aber auf jeden Fall eine bestimmte Person in die Bürgerschaft oder Bezirksversammlung entsenden möchten, müssen Sie auch diese unabhängig von ihrem Platz auf der Vorschlagsliste ankreuzen – und dann am besten fünfmal.

Aber auch hier gilt: Insgesamt dürfen Sie keinesfalls mehr als fünf Kreuze auf dem Wahlzettel verteilen.

8. Ganz wichtig: Kunstwerke sind auf einem Wahlzettel fehl am Platze.

Versehen Sie den Wahlzettel nur an den dafür vorgesehenen Stellen mit der vorgegebenen Zahl an Kreuzen. Kritzeleien am Rand oder Kommentare über die Kandidaten, die Verkommenheit der Politik oder Vorschläge zur Rettung der Welt werden von den Wahlvorständen nicht geduldet. Sie machen den Stimmzettel ungültig.

9. Kommen Sie vorbereitet ins Wahllokal.

Das Landeswahlamt hat Ihnen Musterstimmzettel geschickt, auf denen Sie sehen können, welche Parteien und Kandidaten sich zur Wahl stellen. Das gibt Ihnen die Gelegenheit, zu Hause schon einmal probeweise Ihre Stimmen zu verteilen. Gegebenenfalls können Sie sich über einzelne Kandidaten noch schlau machen. In den Wahllokalen wird es Infostände geben, an denen Ihre letzten Fragen beantwortet werden. Wahlempfehlungen werden – und dürfen – Sie dort nicht erhalten.

10. Es lohnt sich, trotz der aufwändig auszuzählenden Wahlzettel, am Wahlabend fernzusehen.

Wegen der Listenstimmen für die Parteien wird wie bei weniger aufwändigen Wahlen noch am Abend feststehen, wie die Mehrheitsverhältnisse in der Bürgerschaft aussehen werden. Erste verlässliche Hochrechnungen gibt es ab etwa 18.30 Uhr. Die meisten KandidatInnen dagegen werden bis Dienstagabend oder gar Mittwoch zittern müssen, wenn die vielen Wahlkreisstimmen ausgezählt sein werden. Dann erst wird feststehen, wer in das Parlament einzieht.