Vom Wort zur Tat

Glaubt man den Organisatoren, beruht die Kontroverse um das Bremer Junggläubigen-Event „Christival“ einzig auf Missverständnissen

von BENNO SCHIRRMEISTER

Man hat das alles nicht so gewollt. Dass einzelne Seminare im Vorfeld der Veranstaltung so im Fokus der Öffentlichkeit stehen, „das war nicht unsere Absicht“, sagte der Vorsitzende des Christival-Vereins Roland Werner am Dienstag in Bremen. Man sei keine schwulenfeindliche Veranstaltung. Die einzelnen Seminarthemen „stehen für uns nicht im Zentrum“, so Werner. Kernanliegen sei, dass „junge Menschen ihren Glauben feiern“. Die wichtige Botschaft: „Dass Wort und Tat zusammengehören“. „Sozialer Einsatz“, sagt Werner, sei darunter zu verstehen.

Vom 28. April bis 5. Mai findet das so genannte Christival in Bremen statt, das mittlerweile fünfte Ereignis dieser Art in Deutschland. Von den Organisatoren wird es wahlweise als „Kongress junger Christen“, oder „großes Glaubensfest“ vorgestellt. Ein bisschen freuen sie sich offenbar auch über die ach so ungewollte Kontroverse: Der Grünen-Politiker Volker Beck hatte Familienministerin Ursula von der Leyen aufgerufen, ihre Schirmherrschaft zurückzugeben – wegen eines Seminars über die angebliche Heilbarkeit von Homosexualität. Die taz hatte auf Unterrichtseinheiten hingewiesen, deren Dozent „Die Birke“ stellt, ein selbst ernannter Schwangerschaftskonfliktberatungs-Verein aus Heidelberg.

„Die Birke“ wiederum stammt aus strikt-katholischem Milieu und ist bislang nur durch psychologisch-aggressives Verhalten gegenüber Ratsuchenden auffällig geworden. Das, sagt der Programm-Gesamtverantwortliche Werner, „war uns gar nicht bekannt“. Dabei waren die Vorwürfe auch schon vor zehn Tagen in Stuttgarter Zeitung und Frankfurter Rundschau nachzulesen. Und die stramm-rechte Junge Freiheit hat sich bereits für das Glaubensfest in die Bresche geworfen.

„Für uns haben sich die Diskussionen um Inhalte und Programm positiv ausgewirkt“, sagt Christival-Geschäftsführer Heiko Linke. Bis Dienstag hätten sich 12.000 Dauerteilnehmer angemeldet. Insgesamt rechne man mit 20.000 Anmeldungen.

Es gibt auffällig viele Missverständnisse über das Christival: So empfinden die Organisatoren es keineswegs als Widerspruch, dass Familienministerin von der Leyen – Werner: „wir freuen uns sehr, dass die Bundesregierung voll hinter uns steht“ – durch ihren Staatsrat verbreiten ließ, das erwähnte Homo-Heiler-Seminar sei auf ihre Intervention hin aus dem Programm verschwunden. Die Christival-Granden wiederum behaupten, es aus eigenem Antrieb selbst gecancelt zu haben. „Parallele Prozesse“, erklärt Werner. Erstaunt auch nehmen die Verantwortlichen zur Kenntnis, dass man sich auf der eigenen Homepage als „das christliche Großereignis des Jahres“ feiert. Da sei „offenbar ein Fehler“ unterlaufen, wird eingeräumt. Keinesfalls wolle man damit den christlichen Charakter des nur wenige Wochen nach dem Bremer Ereignis in Osnabrück stattfindenden 97. Deutschen Katholikentags leugnen. Man verstehe sich halt als „evangelische Veranstaltung“, erläutert Werner. Als „ein Testlauf für den Kirchentag 2009“, wie Linke sekundiert, „wenigstens fürs Organisatorische“.

Etwa zur Hälfte aus Teilnehmer-Beiträgen soll sich das Christival finanzieren. Der Bund zahlt 250.000 Euro – ohne sich um die Programminhalte zu kümmern. Die Evangelische Kirche Deutschlands fördert mit 200.000 Euro – hat aber, wie die Hannoversche Landeskirche, selbst mit 10.000 Euro dabei, und die auch nicht so finanzkräftige Bremer Evangelische Kirche, ebenfalls 10.000, den Veranstaltern eine carte blanche gegeben, was die Inhalte angeht. Der Trägerverein ist Mitglied der evangelikal orientierten Deutschen Evangelischen Allianz (DEA). Aber: „Wir sind nicht fundamentalistisch“, erklärt Werner. „Das ist nicht unsere Begrifflichkeit.“ Ein ehrlicher Satz.

Dieser Herr Werner! Dass DEA-Präsident Jürgen Werth das Homo-Heiler-Thema noch einmal kräftig befeuert hatte, war so offenbar auch nicht geplant gewesen: Werth hatte auf die Heterosexualität von Adam und Eva verwiesen – und gefolgert, dass Schwule „nicht der schöpfungsgemäßen Bestimmung des Menschen“ entsprächen. Auf die Frage, ob er Homosexuelle ebenso für nicht-gottgewollt halte, gerät Werner ins Schwadronieren und findet dann doch noch einen Ausweg: „Jeder Mensch ist gottgewollt.“ Dabei hat er in seinem Werk „Der Konflikt des homosexuellen Menschen“ bereits 1982 – ebenso wie im Aufsatz „Christ und homosexuell“ von 1981 oder in „Homosexualität und Lebenserneuerung“ 1993 – klargestellt, dass homoerotische Gefühle nur Symptome einer tiefer liegenden Identitätskrise seien. Und deren Therapie ist natürlich ein Werk der Liebe. Echter sozialer Einsatz eben.