SPD-Wirtschaftsforum will von Beust

Hamburgs Sozialdemokraten sollen nach sieben Jahren in der Opposition jetzt eine große Koalition mit der CDU eingehen – fordert ihr Wirtschaftsflügel. Zunächst Sondierungen von Union mit SPD und Grünen. Wenn die grüne Basis das denn erlaubt

Heute Nachmittag will das Hamburger Landeswahlamt das amtliche Gesamtergebnis der Bürgerschaftswahl in der Hansestadt verkünden. Ursache für den dreitägigen Auszählungsmarathon ist das neue Wahlrecht: Am Sonntagabend wurden nur die Listenstimmen für die Parteien ausgezählt und somit die Mandatsverteilung in der Bürgerschaft ermittelt. Seitdem wurden die Personenstimmen für die KandidatInnen in den 17 Wahlkreisen ausgezählt. Dafür konnte jedeR WählerIn bis zu fünf Stimmen vergeben. Erst wenn diese Resultate für die 71 Direktmandate vorliegen, ist geklärt, welche BewerberInnen von den Landeslisten der Parteien die übrigen 50 der insgesamt 121 Sitze im Landesparlament erhalten. Nach dem vorläufigen Endergebnis von Sonntagabend kommt die CDU auf 56 Mandate, die SPD erreicht 45 und die Grünen 12, die Linke zieht mit acht Abgeordneten erstmals in die Bürgerschaft ein. Eventuell wird der GAL heute ein weiteres Mandat zu Lasten der SPD zugesprochen.  SMV

Von SVEN-MICHAEL VEIT

Sehr nachdrücklich hat das Wirtschaftsforum der Hamburger SPD die Parteiführung aufgefordert, „eine große Koalition ernsthaft zu erwägen“. Die Schnittmengen mit der CDU seien „erheblich größer als zwischen CDU und Grünen“, schreibt der Forumsvorsitzende Horst Gobrecht in einer „Anregung“ an seine Partei. Dies gelte vor allem für die „Kernpunkte“ Hafenpolitik und Elbvertiefung.

Gobrecht ist in Hamburgs SPD nicht irgendwer. Von 1976 bis 1984 war er Bundestagsabgeordneter und danach Finanzsenator in Hamburg. Im Vorstand des Forums sitzt auch Thomas Mirow, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, langjähriger Hamburger Wirtschaftssenator und bei Bürgerschaftswahl 2004 Spitzenkandidat der SPD. Gobrechts Stellvertreter war bis September vorigen Jahres der Wirtschaftspolitiker Ingo Egloff. Dieser legte das Amt nur nieder, weil die Hamburger SPD ihn zum Parteichef gewählt hatte.

Nach sieben Jahren „Verbannung in die Opposition“ dürfe die SPD nicht Schwarz-Grün das Feld überlassen, findet nun der einflussreiche Wirtschaftsflügel. Spitzenkandidat Michael Naumann wird aufgefordert, die SPD als Zweiter Bürgermeister, Wissenschafts- und Kultursenator in eine Große Koalition zu führen.

Der SPD-Landesvorstand beschloss erwartungsgemäß, ein Sondierungsgespräch mit der Union nicht zu verweigern. Bürgermeister Ole von Beust und der CDU-Vorstand hatten zuvor SPD und Grünen angeboten, über die Chancen für eine Koalitionsbildung zu sprechen. Neben von Beust werden Parteichef und Finanzsenator Michael Freytag die Gespräche führen. Das Treffen mit der SPD soll nächsten Dienstag stattfinden, für Mittwoch wurde der Grün-Alternativen Liste (GAL) ein Termin vorgeschlagen.

Die SPD benannte bereits eine sechsköpfige Verhandlungskommission unter Führung von Naumann und Egloff. Unüberwindliche Bedingungen formulierte sie ausdrücklich nicht. Für die SPD stehe im Vordergrund, so heißt es im Beschluss des Vorstandes, „dass die im Programm festgelegten politischen Ziele – hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit – erreicht werden“. Mit der Linkspartei hingegen werde es „keine Tolerierung, Koalition oder sonstige Zusammenarbeit“ geben.

Die beiden grünen Topfrauen, die Parteivorsitzende Anja Hajduk und die Spitzenkandidatin Christa Goetsch, erwarten von der Landesmitgliederversammlung (LMV) am morgigen Donnerstag grünes Licht für Gespräche mit der Union. Das sei aber „keine Vorfestlegung“, betont Goetsch, von Verhandlungen könne vorerst keine Rede sein. Danach würde eine erneute LMV entscheiden, ob förmliche Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden sollen. Ein etwaiges Regierungsabkommen müsste erneut von einer Mitgliederversammlung akzeptiert werden.

Hajduk erwartet morgen „einen lebendigen Meinungsaustausch“ mit der Basis der 1.200 Mitglieder starken Partei. In das Sondierungsgespräch mit der CDU am nächsten Mittwoch würden die UnterhändlerInnen „mit sehr konkreten Inhalten“ gehen, sagt Hajduk. Nur wenn die CDU bei den grünen Knackpunkten „deutliches Entgegenkommen zusagt“, würden sich Verhandlungen überhaupt an der Basis durchsetzen lassen, glaubt der Abgeordnete Till Steffen.

Ganz oben auf der Liste grüner Wünsche stehen die Schule für Alle, die Rücknahme aller Kita-, Schul- und Studiengebühren, der Verzicht auf die Elbvertiefung und das Kohlekraftwerk Moorburg, die Einführung einer „City-Maut“ für Kraftfahrzeuge und die Entschärfung des Hamburger Polizeigesetzes. Wenn es zu Koalitionsverhandlungen mit der CDU kommen sollte, glaubt nicht nur Steffen, „muss da auch von vornherein Substanz sein. Dann können wir nicht unterwegs wegen einem Spiegelstrich wieder aussteigen.“

Den von der CDU angedeuteten Zeitdruck wollen die Grünen nicht akzeptieren. Bis zur konstituierenden Sitzung der neuen Bürgerschaft in genau zwei Wochen am 12. März sei nicht mit wegweisenden Entscheidungen zu rechnen, glaubt Parteichefin Hajduk. Zumal eine Mitgliederversammlung in den Osterferien nicht denkbar sei.

„Wir brauchen so lange, wie wir eben brauchen“, sagt Steffen. „Bei den Grünen“, seufzt der Noch-CDU-Fraktionschef Bernd Reinert bereits, „immer eine besonders spannende Frage“.