Wie die Armut verwaltet wird

Bei der Bagis werden pro Jahr mehr als 600 Millionen Euro für Arbeitslose und Hilfsbedürftige in Bremen bewilligt – unter Bedingungen, die „ein ständiges Ärgernis“ sind, sagt der Rechnungshof

von Klaus Wolschner

Die „Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales“, kurz Bagis, ist in ihrer Behördenstruktur verfassungswidrig, weil in ihr Aufgaben der Kommune und und des Bundes ohne rechtliche Grundlage vermischt werden. Diese doppelte Trägerschaft ist aber auch zu einem wesentlichen Teil dafür verantwortlich, dass die Bagis ihre Funktion nicht ordentlich erfüllen kann. Zum zweiten Mal hat der Rechnungshof in seinem Bericht seitenweise Mängel der Bagis aufgelistet. Vor zwei Jahren hatte er festgestellt, dass mehr als die Hälfte der Bagis-Bescheide fehlerhaft sind. Diesmal hat er die inneren Strukturen beschrieben.

Insbesondere hier hat die doppelte Trägerstruktur Auswirkungen: Die MitarbeiterInnen der Bagis sind nicht bei der Bagis angestellt, sondern die einen bei der Bundesanstalt in Nürnberg, die anderen beim Bremer Amt für soziale Dienste. Also gibt es zwei Personalräte, zwei Sorten von Arbeitsverträgen, zwei Arbeitszeitregelungen – zwei innerbetriebliche Kulturen. Dazu kommen noch die, die von der Bahn, der Post und der Telekom „ausgeliehen“ wurden an die Bagis. Ein Drittel der Beschäftigten hat nur Zeitverträge, entsprechend groß ist die Fluktuation: In den Jahren 2006 und 2007 haben mehr als 15 Prozent der Beschäftigten gekündigt. Auch die Zeitarbeiter bekommen nicht denselben Lohn für gleiche Arbeit, einige liegen „nur geringfügig über den Ansprüchen von Bedarfsgemeinschaften“, also dem, was das Klientel an Stütze von ihnen gewährt bekomme, hat der Rechnungshof festgestellt. Die Zahl der unbesetzten Stellen lag im Oktober 2007 bei acht Prozent. Und die Effizienzverluste durch Einarbeitungszeiten seien erheblich, schreibt der Rechnungshof.

Dabei verwaltet die Bagis viel Geld, mehr als 600 Millionen Euro gehen für 76.000 Bremer Leistungsempfänger jedes Jahr über den Tresen. Schon im Jahre 2006 hatte der Rechnungshof darauf verwiesen, „dass aus den Akten der Bearbeitungsstand erkennbar sein muss und wer was veranlasst hat“. Insbesondere weil ein „Fall“ von verschiedenen Personen behandelt wird, die sich nur anhand de Aktenlage ein Bild machen können. Die Bagis habe „diese Anregungen aufgegriffen“, heißt es in dem neuen Rechnungshofbericht. Und dann folgen neue Tipps zur Akten-Verwaltung. „Ziel muss es sein, ... durch einen klaren Aufbau der Akten den Zeitaufwand bei der Fallbearbeitung zu senken. Fehler könnten vermindert werden. Das würde auch auf allen Seiten zu einer größeren Zufriedenheit führen.“

„Ein ständiges Ärgernis“ sei das Computerprogramm, schreibt der Rechnungshof. Dass die Bagis jüngst drei Tage dicht machte und auch in den nächsten Wochen zweimal freitags geschlossen bleibt, hat mit dem Arbeits-Rückstau aufgrund der neuen Software zu tun. Mit Folgen auch für die Kunden, denn „die Bescheide sind unübersichtlich und nicht kundenfreundliche aufgebaut“. Zeitnahe Controlling-Informationen spucke der Computer nicht aus.

Die Kritik des Rechnungshofes sei „durchaus hilfreich“, sagt die Sprecherin der Bagis, viele der Probleme aus dem alten Bericht von 2006 seien auch schon behoben oder auf bestem Wege.

Da das Bundesverfassungsgericht das Mischsystem von Kommunal- und Bundesverwaltung für rechtswidrig erklärt und eine Frist bis zum Jahr 2010 gesetzt hat, ergibt sich die Chance einer kompletten Neuorganisation der Armutsverwaltung.