Eierlegender Wollmilch-Fluss

Die konkrete Arbeit an einem Bewirtschaftungsplan für die Unterelbe hat begonnen. Er soll die Interessen des Naturschutzes mit denen der Wirtschaft und der Anwohner unter einen Hut bringen

VON GERNOT KNÖDLER

Die Unterelbe ist ein Naturraum von europäischem Rang, eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt und eine Bedrohung für die Menschen, die hinter ihren Deichen leben. Um diese drei Sachverhalte unter einen Hut zu bringen, ist gestern die Detailarbeit an einem Bewirtschaftungsplan für den Abschnitt von der Mündung bis vor den Hamburger Hafen begonnen worden. Alle Gruppen, die von den Veränderungen am Strom berührt sind – von den Betreibern der Sportboothäfen bis zur Fischerei sowie die Vertreter der Anrainer-Länder und des Bundes – waren zu einer Auftaktveranstaltung in Glückstadt eingeladen.

Die trichterförmige Flussmündung der Elbe – das Ästuar – birgt eine Ansammlung besonderer Lebensräume. Bis zum Sperrwerk Geesthacht hinter Hamburg macht sich der Tideeinfluss des Meeres bemerkbar. Es gibt eine große Brackwasserzone und weiter landeinwärts findet sich das seltene Phänomen von Süßwasserwatten. Hier wachsen Arten, die nur an der Unterelbe vorkommen, wie der Schierlings-Wasserfenchel, und deshalb besonders schützenswert sind.

Nach einiger Streiterei ist die Elbe 2005 stromabwärts von Hamburg zum Schutzgebiet nach der Flora-Fauna-Habitat(FFH-)Richtlinie der EU erklärt worden. Die Hamburger Wirtschaft hatte darauf bestanden, zumindest den Hafen auszunehmen und sich durchgesetzt. Dem starken Wachstum des Hafens verdankt Hamburg ein Gutteil seiner wirtschaftlichen Dynamik. Weil die Containerschiffe jedoch immer größer wurden, musste der Fluss unzählige Male vertieft werden. Eine weitere „Fahrrinnenanpassung“ ist in Vorbereitung.

Nun ist nach der jüngsten Vertiefung von 1999 bereits ein unerwartetes Phänomen aufgetreten: Die Sedimentmengen, die die Hafenbehörde (Port Authority) aus der Fahrrinne baggern musste, sind explodiert. Was die Bagger und Sauger aus dem Fluss holen, wird von der Flut wieder in den Hafen gespült. Die Betreiber der Sportboothäfen in den Nebenflüssen beklagten sich über zunehmende Verschlickung. Die Port Authority sah sich zum Umdenken veranlasst und entwarf zusammen mit der Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes das Konzept eines Tide-Elbe-Managements. Demnach soll mit Hilfe künstlicher Sandbänke und Flachwasserzonen so umgebaut werden, dass sie von alleine frei bleibt.

„Wir wollen die natürliche Dynamik des Elbästuars fördern“, sagt Regina Dube von der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde, die Leiterin der Lenkungsgruppe für das Rahmenkonzept. Erosion und Sedimentation sollen sich die Waage halten, das Verlanden von Flachwasserzonen zumindest per saldo gestoppt werden. Ein Gleichgewicht könnte auch darin bestehen, dass Flächen, die an der einen Stelle abgetragen werden, in der Nähe entstehen.

Der Bewirtschaftungsplan biete auf Basis der FFH- und der Wasserrahmenrichtlinie einen Rahmen für künftige Projekte, sagt Dube. Er sei „ein Instrument, mit dem man sich besser auf große Infrastrukturprojekte vorbereiten kann“. Die Arbeit stehe aber noch ganz am Anfang. 2010 solle der Plan vorliegen. Die nächste Elbvertiefung, mit der Anfang 2009 begonnen werden soll, sei davon noch nicht betroffen. Die FFH-Richtlinie muss dabei so oder so beachtet werden.

Aus Sicht Thomas Behrends‘ vom Naturschutzbund (NABU) Schleswig-Holstein kommt der Bewirtschaftungsplan ein wenig spät. „Man hätte auch vor zehn Jahren schon anfangen können“, findet er. Schließlich sei die FFH-Richtlinie schon vor 16 Jahren verabschiedet worden. Das Tide-Elbe-Management sieht Behrends mit gemischten Gefühlen. Es werde von der Hafenbehörde benutzt, um eine weitere Elbvertiefung für machbar zu erklären. Dabei müsse es darum gehen, bisherige Schäden zu beheben, wofür das Tibe-Elbe-Management ein Instrument sein könne.