Keine Witz’ für unerwünschte Gäste

Karl Valentins Popularität suchte auch die NSDAP für sich zu nutzen. Erfolglos. Wie er sich gegen deren Nachstellungen wehrte und auch später politisch einsetzte, fehlt in der großen Valentin-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau

„Ein feines Auto fährt daher Und innen sitzt ein Millionär. Trotzdem, dass er ein Ding da war, Geht es ihm heut ganz wunderbar“

Im Martin-Gropius-Bau kann man derzeit eine Ausstellung über Karl Valentin, einen bayerischen Komiker in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, betrachten (siehe taz vom 6. Februar). Eine sehenswerte Ausstellung, die Valentin als Verstellungskünstler und genialen Sprachakrobaten vorstellt, geliebt und gelobt ebenso von einfachen Leuten wie von vielen Intellektuellen. Das stimmt alles und ist doch nicht alles.

Nur wenig bekannt, vielleicht auch bewusst oder unbewusst beiseitegeschoben wurde die Tatsache, dass es sich bei Karl Valentin um einen politisch sensiblen Künstler handelt. Bei den von ihm dargestellten Helden handelt es sich überwiegend um Vertreter des verarmten Kleinbürgertums zwischen den beiden Weltkriegen, genauer des traditionellen Kleinbürgertums aus dem Handwerkerbereich. Dessen wirtschaftliche und soziale Situation wird von Valentin in komisch-tragischer Weise präzise widergespiegelt. In zahlreichen Konflikten mit selbst ernannten oder wirklichen Autoritäten sowie wirtschaftlich Stärkeren zieht er zwar oft den Kürzeren, er bleibt aber moralisch der Sieger. Und wenn nicht, dann aber auf jeden Fall „einer von uns“. Das erklärt Valentins damalige Popularität in weiten Teilen der Bevölkerung (und nicht nur in Bayern).

Diese Popularität suchte auch die NSDAP für sich zu nutzen. Erfolglos, wie bekannt. Es kam zu einem ebenso frostigen wie folgenreichen Treffen zwischen Hitler und Valentin. Ab 1933 wurden Valentins Filme wegen ihrer „Sozial- und Elendstendenzen“ verboten. 1936 boykottierte Valentin auf seine Art die Olympischen Spiele. Unter einem Foto, das ihn im leeren Berliner Olympiastadion sitzend zeigt, steht: „Einen Tag zu spät und dennoch zu spät. Erst wartete ich langsam, dann schneller und immer schneller, doch nirgendswo ließ sich etwas von den olympischen Spielen erspähen.“

Bei seinen seltener gewordenen Bühnenauftritten war mitunter die Gestapo unerwünschter Gast. Valentin reagierte: „Sie warten auf die Witz’, aber die kemma erst, wenn Sie draußen sind.“ Anfang der 40er-Jahre trennte sich Valentin von seiner Mitarbeiterin Liesl Karlstadt. Sie ging 1942 zur Wehrmacht, zu den Gebirgsjägern, und wurde als „Mulitreiberin Gustav“ mit dem EK I ausgezeichnet. Karl Valentin ging in die sogenannte innere Emigration. Ins Ausland zu flüchten war für ihn undenkbar, glich doch schon eine Reise außerhalb der bayerischen Landesgrenzen in seinen Augen einem Exodus aus seiner Heimat.

Nach dem Krieg zog auch Valentin politische Konsequenzen. In vielen Sketchen und Dialogen thematisiert er kritisch die flotte Vergangenheits„bewältigung“ und die nicht seltene politische Kontinuität ehemaliger Nazis. So heißt es z. B. in einem seiner bis heute unveröffentlichten Typoskripte : „Ein feines Auto fährt daher / Und innen sitzt ein Millionär. / Trotzdem, dass er ein Ding da war / Geht es ihm heut ganz wunderbar.“ Am deutlichsten bezieht Valentin Position in seinem Dialog „Vater und Sohn über den Krieg“, in dem er die Kriegsschuldfrage thematisiert und dabei zu dem Schluss kommt : „Schuld am Krieg ist das internationale Monopolkapital.“ Eine Möglichkeit, künftige Kriege zu verhindern, gebe es aber nur, wenn „sich alle Arbeiter auf der ganzen Welt einig wären“. Dass Valentin deshalb in München auch für den Zusammenschluss von SPD und KPD warb, war nur logisch.

Logisch war es dann auch, dass der US-lizenzierte Bayerische Rundfunk von diesem anderen Valentin nichts senden wollte, ihn vielmehr ermunterte, doch seine lustigen, alten und bewährten Sketche wieder aufzulegen, was Valentin seinerseits ablehnte. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich immer häufiger durch seine in der Lehrlingszeit erworbenen Kenntnisse im Tischlerhandwerk. Der Nachkriegszeit angemessen, stellte er mit sehr geringem Verkaufserfolg hölzernes Küchengerät her. Schon zu Lebzeiten eine hagere, dünne Gestalt, bekam er 1948, fast verhungert, eine Lungenentzündung. Er starb am Rosenmontag und wurde am Aschermittwoch beerdigt. AXEL HAUFF

„Karl Valentin, Filmpionier und Medienhandwerker“. Martin-Gropius-Bau, Mi.–Mo. 10 bis 20 Uhr, bis 21. April