OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Meist ist es ja eher so: Regisseure und Regisseurinnen, die an ihrem Erstlingsfilm arbeiten, haben so viele Ideen im Kopf, dass sie ihr Werk oft unnötig verkomplizieren und das Wesentliche auch schon mal aus den Augen verlieren. Manuela Stacke, Absolventin der HFF München, macht mit ihrem Drama „Mondscheinkinder“ eine Ausnahme und findet von Beginn an zu einer bewundernswerten Ökonomie des filmischen Erzählens. In wenigen prägnanten Szenen umreißt Stacke die Lebenssituation ihrer Protagonisten: Die 12-jährige Lisa (Leonie Krahl) ist in der Schule zur Außenseiterin geworden, weil sie ständig auf ihren schwerkranken Bruder Paul aufpassen muss und nie Zeit hat. Denn Paul leidet unter der sogenannten Mondscheinkrankheit. Er darf nicht ans Tageslicht, sonst bekommt er Hautkrebs. Doch der eingefahrene Alltag gerät ins Wanken, als Lisa sich erstmals verliebt. Nun muss sie sowohl von Paul als auch von ihrer Mutter das eigene Leben einfordern, das sie bisher nicht hatte. Über weite Strecken trifft „Mondscheinkinder“, der 2006 den Publikumspreis des Filmfests Saarbrücken erhielt, genau den richtigen Ton: Der Film ist keineswegs eine deprimierende Elendsrevue, sondern ein authentisch wirkendes und von seinen jugendlichen Laiendarstellern souverän getragenes Pubertätsdrama, in das sich auch die kleinen naiven Animationssequenzen, die Lisas Raumfahrermärchen für Paul bebildern, harmonisch einfügen. Es ist Lisas Spagat zwischen dem Wunsch nach der ersten Liebe und der Verantwortung für das Wohlergehen der Familie, der „Mondscheinkinder“ letztlich berührend macht.

Die gerade mit dem Oscar für „No Country for Old Men“ ausgezeichneten Brüder Joel und Ethan Coen sind in ihren Genrefilmen auch immer Chronisten des „American Way of Life“. Und der erscheint bei ihnen stets als eine ebenso absurde wie gewalttätige Jagd nach Erfolg und Geld. Wie in „Fargo“ (1996): Inmitten der verschneiten Landschaft von Minnesota tut sich der bankrotte Autoverkäufer Jerry Lundegaard (William H. Macy) mit zwei Ganoven zusammen, um durch die Entführung seiner Frau beim steinreichen Schwiegervater abzukassieren. Doch schon bald führt die Inkompetenz der Beteiligten zu unglaublichen Blutbädern, deren Präsentation allerdings an lakonischem Witz nur schwer zu überbieten ist.

István Szabós Drama „Taking Sides“ (2002) setzt an, wo sein berühmter Film „Mephisto“ aufhört, und beschäftigt sich einmal mehr mit der Stellung des Künstlers in einem totalitären Regime. Der deutsche Stardirigent Wilhelm Furtwängler (Stellan Skarsgård) erhält nach dem Zweiten Weltkrieg Besuch vom amerikanischen Entnazifizierungsmajor Steve Arnold (Harvey Keitel), der ihn der Kollaboration überführen will: In theatralen Verhören bastelt Arnold in seiner Empörung über die Naziverbrechen aus Vermutungen und Halb-Wahrheiten abenteuerliche Theorien zusammen; Furtwängler beharrt hingegen auf der Trennung von Kunst und Politik und versteht nicht, was man von ihm will. „Taking Sides“ ergreift letztlich keine Partei, sondern stellt Fragen. LARS PENNING

„Mondscheinkinder“ 28. 2.–5. 3. im Bali-Kino

„Fargo“ (OmU) 3. 3. im Babylon Mitte

„Taking Sides“ 2.–3. 3. im Babylon Mitte