uli hannemann, liebling der massen
: Heute ist Schalttag und der Kalender geht in Flammen auf

Heute ist ein Tag, den es nicht gibt. Dieser Tag gehört den Schalten, den Walten und den Wankelpfaffen, die Ersteren beiden Dolmetsch sind.

Wie ausgestorben liegen die Straßen da, obwohl sie voller Menschen scheinen. Die Spaziergänger sind sämtlich falsch herum. Sie haben sich die Füße frisiert und laufen auf steifen Ohren behände rückwärts. Frauen brummen wie verwundete Bären in ihre meterlangen Bärte hinein, während sich Männer auf umgekippten Parkbänken winselnd in den Wehen winden. Hie und da brüllt einer zirpend auf und schenkt einem greisen Kauderkälbchen das Leben. Kaum hat die Missgeburt das fahle Licht der Welt erblickt, sieht sie sich schon vom Wankelpfaff verscharrt in ungeweihter Erde.

Der Himmel hat sich verdüstert und mächtige Blitze zucken zwischen den Wurzeln der Bäume hervor, die kahl in das Gebrodel lilaschwarzer Wolken ragen; die Kronen stecken tief in der Erde, an den Stamm pisst lachend eine räudige Hyäne – mit allen fünf Armen steht sie knietief im absoluten Parkverbot.

Ein eisiger Wind bläst für eine Handvoll Dollar, Französisch ist noch weitaus feiler. Wörterbücher liegen in der Kneipe aus, wo man die Sprache lernen kann. Doch horch: Das Gasthaus ist geschlossen, denn niemand darf hinein. Es darf auch niemand heraus. Das Verzehren von Abfällen in der Öffentlichkeit ist strengstens untersagt. Alles ist verboten an einem Tag wie diesem, an einem Tag, den es gar nicht gibt, und alles ist erlaubt.

Die schwarze Wutz streift heiser raunend durch die öden Gassen und sammelt herrenlose Miezekatzen, die sie zu grobem Mehl zerschrotet, um dem Teufel davon Brot zu backen. Am Rathaus hängt ein Kalender, der sich biegt vor infamer Lüge und schreiend dann in Flammen aufgeht. Der Februar sieht sich von einer Bande närrischer Gaukler betrogen und siecht jammernd bloß dem März entgegen.

Der wartet bereits viel zu lange. Längst sind seine Tage in der feuchten Erde verfault, noch bevor der Monat seine zarten Knospen hinausreckt in den stinkenden Odem der Natur. Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt? Nein, in diesem Jahr nimmermehr. Der Länderwirt hängt tot am Scheunentor; die Mähren sind mit dem Entzug abgedampft in die Wallachei und hängen dortselbst an der Nadel. Heuer wird Hunger die Frevler strafen und der punktlose Abstieg aus der Lebensliga.

Gigantische Schwärme von Wanderschrecken, genau sieben Billionen und vierhundertdreißig an der Zahl, verfinstern den Horizont noch weiter, der doch ohnehin schon finster ist. So dunkel dräut nunmehr die Dunkelheit, dass sie schon wieder strahlend hell erscheint, denn minus mal minus gibt plus, so wie eins und eins zwei ergibt und die Quadratwurzel von 29 eine Zahl, die so widersinnig ist, dass selbst Trolle bei ihrem Anblick zähneklappernd das Weite suchen.

Berlin-Dahlem. Vier Komma drei Grad. Graupelschauer. Mühsam nähert sich das Eichhörnchen – der tosende Sturm wirft es stets aufs Neue wuchtig in das kotgetränkte Straßenbett hinein. Tumb ist Meister Eichhorn: Wüsste der einfältige Nager um die Ursach seiner Mühen, so bliebe er gewiss in seinem Baumloch drin, verschlösse sorgsam Tür, Fenster und Schornstein und wartete dort, versunken im heftigen Gebet, auf dass der unselige Schalttag endlich vorübergehe.