Schnuppern an der Traumfabrik

In der Filmschule Hamburg/Berlin führen Profis Filminteressierte in die Welt der bewegten Bilder ein. Doch das Geschäft ist hart. Für einen späteren Berufseinstieg brauchen die Teilnehmer vor allem Glück

VON REBECCA CLARE SANGER

Um fünf Uhr nachmittags sehen sämtliche Teilnehmer mehr oder weniger entsetzt zu, wie ein Baum in der Serie „die Rettungsflieger“ fällt – und zwar dem einen, armen Baumfäller mitten auf den Kopf.

Die Reaktionen im Seminar „Producer am Set“ sind gespalten: Die Hamburger Trickfilm-Frau schaut eher belustigt hinter der zum Schutz erhobenen Hand auf den Bildschirm. Die Filmstudenten aus Hamburg und Karlsruhe zeigen ein mildes Lächeln, die Abiturientin aus Berlin verzieht keine Miene. Ein ehemaliger Unternehmensberater aus Bayern und ein Geschäftsmann aus Berlin dagegen finden das Gesehene nicht plausibel: „Das ist doch das Problem mit dem deutschen Fernsehen! Immer so schlecht recherchiert!“, empört sich der eine. „Ein Baum fällt doch ganz anders. Der schlägt aus, statt Holzfällern auf den Kopf zu fallen.“

Die Seminarleiterin, die auch Producerin der „Rettungsflieger“ ist, trägt die Einwände mit Fassung. Da sie am Drehtag der Szene einen Baumfäll-Experten am Set hatte, lässt sie sich jetzt von weiteren vermeintlichen Experten nicht beirren. Sie als Producerin ist ja nicht nur für das erfolgreiche Konzipieren und Drehen ihrer Produktion verantwortlich, sondern muss auch die Publikumsreaktionen berücksichtigen und verarbeiten. Und verglichen mit dem, was sie gewohnt ist, ist das Genörgel eher leichter Tobak.

Überhaupt bleibt an ihr die meiste Arbeit hängen, sagt sie auf Nachfrage. Ihr Job unterscheide sich insofern von dem eines Produzenten, dass der Produzent die Verantwortung hat, der Producer hingegen die Arbeit. „Verkürzt gesagt.“

Schon seit Anfang der 90er Jahre bietet die Filmschule Hamburg/Berlin Seminare für Laien an. Ins Leben gerufen wurde sie von Hamburger Filmemachern, die so eine Brücke schlagen wollten zwischen den Filminteressierten und der professionellen Film- und Fernsehwelt. Inzwischen sind die Seminare als Fortbildung anerkannt. Produktionsfirmen aus ganz Deutschland schicken Mitarbeiter zur Weiterbildung an die Elbe.

Da bietet etwa der erfahrene Kameramann Uli Fischer technisch-fundierende Kurse an wie „Licht“ und „Kameraarbeit im Dokumentarischen Film“. Andere Kurse beleuchten die einzelnen Arbeitsschritte in der Branche, wie hier zum Beispiel die des Produzenten oder Drehbuchschreibers.

Alle Dozenten sind als Profis in der Branche tätig und können einen realistischen Einblick in die Produktionsbedingungen der bunten Bilderwelt liefern. Hart gehe es da zu, sagen sie, denn Film- und Fernsehen bleibe eine „Traumfabrik“, in der viele arbeiten wollen. Worte wie „pitchen“, „Herstellungsleitung“ und „Kalkulation“ hallen durch den Raum in der Friedensallee Nummer 7. Wie es scheint, die Adresse in Hamburg für alles, was mit Film zu tun hat – oder haben will.

Es ist nicht ganz klar, an wen sich dieser Expertenjargon richtet. Wird der alternde Geschäftsmann, der das Gefühl hat, dass in Internet und Film die Zukunft liegt, tatsächlich jemals irgendwo „pitchen“ müssen? Und die Praktikanten, die sich um Kaffee und Kekse für die Teilnehmer kümmern – werden sie sich jemals an eine „Herstellungsleitung“ richten können, mit ihrer „Kalkulation“?

Die Referenten tun zumindest in den zwei, drei Seminartagen alles dafür, dass die Seminarschüler einen guten Einblick ins Themenfeld bekommen. Es wird frontal doziert, es wird mit Bildmaterial illustriert, und dann gibt es noch die praktischen Übungsaufgaben für die Teilnehmer; im Kameraseminar dürfen sie ihren eigenen Film machen.

Was danach aus den Teilnehmern wird? Die Filmschule hat eine Reihe von Partnerbetrieben, in denen sie das eine oder andere Praktikum machen können. Die Abiturientin aus Berlin ist bestimmt froh, das Seminar besucht zu haben. Denn der ZDF-Redakteur aus dem Ressort Unterhaltung und Wort gibt ihr seine Karte und ermutigt sie, sich beim ZDF für ein Volontariat zu bewerben. Er schreibt sich sogar ihren Namen auf, damit er sich bei all den Bewerbern an sie erinnert. So war er nämlich auch zum Sender gekommen: Mit viel Glück.

Die nächsten Seminare in Hamburg: 1./2. März: Dokumentarfilm Einführung; 28. März: Film und Recht; 29./30. März: Ich habe ein Drehbuch geschrieben – was nun? Informationen: www.filmschule-hamburg-berlin.de