Die Linke gibt‘s noch

Die Linke hat in Bremerhaven 2.737 Stimmen erhalten, das machte 6,14 Prozent und drei Stadtverordnete – dennoch wurde ihr nach der Wahl im Mai 2007 der Fraktionsstatus verweigert. Aber Ypsilanti sei Dank dreht sich der Wind in Bremerhaven

VON KLAUS WOLSCHNER

Die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung ist eine bunte Truppe. Auf gerade einmal 12 Sitze bringt es die CDU, die SPD ist mit 16 Sitzen stärkste Fraktion. Das macht zusammen 28 für die große Stadt-Koalition, dagegen standen am Tag der Wahl 20 Sitze von fünf Oppositionsgruppen: Grüne, FDP, Linke und die rechtskonservativen Formationen DVU und „Bürger in Wut“ hatten die 5-Prozent-Hürde übersprungen.

Aber in Bremerhaven gibt es eine zusätzliche Demokratie-Hürde: Von den Oppositionsgruppen haben nur zwei den „Fraktionsstatus“, nämlich Grüne und FDP. SPD und CDU hatten in ihren Koalitionsvereinbarungen verabredet, die Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung so zu ändern, dass nur vierköpfige Gruppen Anspruch auf den Fraktions-Grundbetrag von 2.045 Euro im Monat haben. DVU, „Bürger in Wut“ und die Linke gingen leer aus, sie hatten jeweils drei.

Man habe den „althistorischen Zustand“ wiederherstellen wollten, begründete der SPD-Fraktionsvorsitzende Melf Grantz diese Maßnahme. Bis 1999 hatte die Zahl vier gegolten, das entsprach einer acht Prozent-Hürde. Aber die Grünen waren 1999 nur mit drei Stadtverordneten gewählt worden, und damit sie „überhaupt handlungsfähig“ seien als Opposition gegenüber der auch damals schon gebildeten großen Koalition, habe man die Geschäftsordnung für sie geändert, erinnert sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Paul Bödeker. Eine „lex grün“ sozusagen, wie Bödeker es nannte.

2003 bestand das Problem zwar nicht mehr, die Grünen kamen über acht Prozent und hatten ihren Fraktionsstatus sicher, offenbar hat niemand daran gedacht, den alten Zustand wiederherzustellen. Aber als jetzt gleich drei Wahlsieger in die Kasse zu greifen drohten, da wurde das Loblied auf die „althistorischen“ Zustände angestimmt. Ohne den Fraktionszuschuss können drei Abgeordnete nicht einmal ein Büro unterhalten, wandte Ulf Eversberg (Grüne) in der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung ein. Die Mindestgröße von drei Abgeordneten habe „sich bewährt“. Was SPD und CDU planten, habe „den Anschein von Willkür“.

Die beiden großen Parteien ließen sich aber nicht beirren. Viel diskutiert hatten SPD und CDU damals nicht über diese Frage. Heute will sich niemand mehr daran erinnern, wer eigentlich die Initiative ergriffen hatte, denn man war sich einig: Es ging gegen die rechte DVU, der man den Fraktionszuschuss nicht gönnte. Niemand habe darüber geredet, dass damit gleichzeitig der Linken die Arbeitsmittel verweigert würden, versichert heute noch der SPD-Unterbezirksvorsitzende Siegfried Breuer, mit einer überzeugenden Begründung: „Die kannte damals doch keiner.“ Und das soll schon etwas heißen in einer kleinen Stadt wie Bremerhaven.

Inzwischen hat sich die Lage, was die Drei-Stadtverordneten-Gruppen angeht, komplett verändert. Aus der DVU sind zwei ausgetreten und habe die Gruppe „Protest in Bremerhaven“ gegründet. Auch bei „Bürger in Wut“ gab es Schwund – zweien wurde das Mandat aberkannt mit der Begründung, sie hätten nur einen Scheinwohnsitz in Bremerhaven. Aber es war nur ein Nachrücker auf der Liste.

So trifft die höhere Schwelle für Fraktionsgelder heute effektiv nur Die Linke. Und die ist gegen den Geschäftsordnungsbeschluss vor Gericht gegangen. Gestern wurde vor dem Bremer Verwaltungsgericht verhandelt. Für die Beschränkung des Fraktionsstatus auf vierköpfige Gruppen gebe es keinen nachvollziehbaren Grund, erläuterte der Anwalt der Linken. Die Mehrheit der großen Koalition habe die Arbeitsfähigkeit der anderen Volksvertreter beeinträchtigt. Das Argument, das Stadtparlament würde chaotisiert, könne nicht für die Benachteiligung kleiner Gruppen ins Feld geführt werden – nicht einmal die Fünf-Prozent-Hürde ließe sich nach dem Schleswig-Holstein-Urteil mit diesem Argument begründen, erinnerte der Jurist.

Das Gericht wird die Klage wohl dennoch ablehnen. Aber nachdem die Zahl der möglichen Bittsteller sich am rechten Rand erledigt hat und zahlenmäßig nur einen betrifft, scheint sich die Haltung zu den Zuschüssen zu wandeln. Man werde, wenn die juristische Auseinandersetzung der Linkspartei abgeschlossen sei, einen Zuschuss für „Gruppen“ vereinbaren, meinte der CDU-Politiker Bödeker. Wie hoch der sei, wollte er nicht sagen – aber viel weniger als 2.045 Euro im Monat würde vermutlich auch keinen Sinn haben.

Dagegen wird sich auch die SPD nicht sperren. Inzwischen ist die Linkspartei eine bekannte Größe bei den Bremerhavener SPD-Genossen. Und mit der CDU liegt man gerade im Clinch um den Bau eines gigantischen Einkaufszentrums. Wenn die große Koalition in Bremerhaven „einmal zu Ende geht“, sinniert der SPD-Chef Breuer, und wenn es dann für Rot-Grün nicht reiche, dann werde man – in Bremerhaven – durchaus über rot-rot-grüne Verbindungen „nachdenken“, versicherte er.