streiktagebuch
: „Beschimpft werden wir nicht“

Sabine Bulla, 44, fährt seit 21 Jahren Bus bei der BVG. Die Alleinerziehende ist Mutter von 16-jährigen Zwillingen und verbringt den ersten Streiktag mit Gesprächen.

„Ich bin heute um halb zehn zum BVG-Betriebshof in die Cicerostraße gekommen. Um die Zeit beginnt sonst auch meine Schicht. Wir müssen ja von Ver.di aus jeden Tag sechs Stunden anwesend sein. Ich habe mich in die Mitgliederliste eingetragen.

Was wir dann gemacht haben? Na, man unterhält sich. Die Stimmung unter den Kollegen war gut, aber es gab natürlich auch Diskussionen.

Jetzt wollen ja die Lokführer der Bahn auch noch streiken. Heute konnte man ja noch auf die S-Bahn ausweichen, aber wenn das wegfällt, dann wird es ganz schön happig für die Fahrgäste, schon klar. Und ziemlich kalt ist es auch, da kann man nicht mit dem Fahrrad fahren.

Ich bin da immer zwiegespalten, wegen meiner Kinder. Meine Tochter lernt Friseurin, mein Sohn macht dieses Jahr noch Schule und lernt dann Maler und Lackierer. Die müssen ja auch zur Arbeit. Aber uns ist schon allen klar, man trifft die Arbeitgeber nur, wenn man zusammenhält.

Man unterhält sich natürlich auch mit den Fahrgästen, die vorbeikommen. Der Ton war eigentlich vernünftig, beschimpft wurden wir nicht. Eine Frau hat erzählt, sie muss zum Putzen von der Westfälischen Straße in Wilmersdorf zum Gertraudenkrankenhaus in Friedenau und dann wieder zurück zur Kurfürstenstraße. Das ist happig. Ein bisschen wütend war die schon, aber nicht so sehr auf uns.

Morgen fange ich um 4 Uhr an, also normal zum Schichtbeginn. Ich glaub nicht, dass es irgendwann langweilig wird, man kann sich ja unterhalten, über den Betrieb und über Privates. Nee, langweilig wird das nicht.

Jetzt fahr ich erst mal nach Hause, ein bisschen früher als sonst. Meine Kinder haben schon angerufen. Dann setzen wir uns zusammen, essen was und reden. Die wollen mir ja auch noch von ihren Problemen erzählen.“

PROTOKOLL: ANNA LEHMANN

Die taz begleitet Sabine Bulla durch den BVG-Streik