„Jetzt Neuwahlen? Das wäre Harakiri“

Die Bundespolitiker der CDU in Berlin verbieten sich Gedanken an einen Koalitionsbruch und schauen lieber mit „zurückhaltender Empörung“ zu, wie es die SPD mit der Linkspartei versucht. Aber was, wenn Ypsilanti Erfolg hat?

BERLIN taz ■ Natürlich schauen die Berliner CDU-Größen gebannt nach Hessen. Aber sie versuchen dabei cool zu bleiben. „Ich empfehle uns zurückhaltende Empörung“, sagt ein Regierungsmitglied zur taz über das rot-rote Techtelmechtel – und lacht. So halten es alle namhaften Christdemokraten.

Auf die Verurteilung von Andrea Ypsilantis „außerordentlichem Wortbruch“ folgt stets die Versicherung, der Vorgang habe „keine Auswirkungen auf die Arbeit der Bundesregierung“. Kann man das glauben? Ja – und nein. Hessen belastet das Klima in der großen Koalition. Der Ton wird rauer, aber über Neuwahlen denkt kein ernst zu nehmender Unionspolitiker ernsthaft nach. Laut Fraktionschef Kauder gibt es eine Garantie für den Fortbestand der Regierung: sein gutes Verhältnis zu seinem Kollegen von der SPD. „Ich kann mich auf das Wort von Peter Struck verlassen, und solange dies möglich ist, ist auch die Arbeit in der großen Koalition möglich“, betont Kauder – und macht sich damit wichtiger, als er ist.

In Wirklichkeit entscheidet nur eine: Angela Merkel. Die wiederum habe „sicher kein Interesse an Neuwahlen“, versichern ihre Leute. „Das wäre völliges Harakiri“, sagt ein CDU-Mann. Erstens ließe sich ein Bruch in Berlin nur mit Hessen nicht begründen. Zweitens gebe es „keine Garantie, dass es für eine neue Koalition mit einem kleinen Partner reicht“.

So bemüht sich die CDU, als stabiler Teil der Regierung zu erscheinen, gleichzeitig mit den Grünen anzubandeln und damit neue Optionen für 2009 zu erschließen. Da dies in der Union geräuschlos akzeptiert wird, kann die Parteispitze umso schadenfroher zuschauen, wie sich die SPD streitet – und Ypsilantis Sturz riskiert.

Bei ihren gelassenen Gedankenspielen verdrängt die CDU nur eine Möglichkeit: einen Erfolg für Ypsilanti, der zeigen könnte, dass das Land auch mit rot-roten Regierungen nicht untergeht. LUKAS WALLRAFF