Wächter überwachen

Gut acht Monate nach den Störfällen in den AKW Brunsbüttel und Krümmel besteht zwischen der Atomaufsichtsbehörde und dem Betreiber noch immer Uneinigkeit über die Konsequenzen

VON ESTHER GEISSLINGER

Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) möchte die Warten der Atomkraftwerke im Land mit Aufnahmegeräten ausstatten und alle Gespräche aufzeichnen. So könnte bei Störfällen oder anderen Problemen nachvollzogen werden, wer wann welche Entscheidungen traf. Das steht in einem Bericht des Ministeriums, das für die Atomaufsicht zuständig ist. Gestern, gut acht Monate nach den Pannen in den Atomkraftwerken in Brunsbüttel und Krümmel, beschäftigte sich der Sozialausschuss des Landtags mit den Konsequenzen, die aus den Vorfällen zu ziehen sind.

Beide Meiler stehen seit Juni 2007 still, nachdem es aufgrund eines Trafobrandes zu Schnellabschaltungen gekommen war. Die Betreiberfirma Vattenfall aber auch das Kieler Sozialministerium gerieten im Anschluss in die Kritik: Die Öffentlichkeit sei zu lange im Unklaren gelassen worden, lautete der Vorwurf. Seither werden beide AKW überprüft, zahlreiche kleine Mängel tauchten auf und wurden nachgebessert.

Zurzeit ist unklar, wann Krümmel und Brunsbüttel wieder ans Netz gehen. Vattenfall habe noch keinen Antrag auf Wiederinbetriebnahme gestellt, hieß es gestern. Laut Sozialministerium sind noch einige Fragen offen – unter anderem müssen weitere Dübel geprüft werden. Zu den offenen Punkten zählt außerdem die Audioüberwachung der Warten. Vattenfall lehnt dieses Verfahren laut Bericht der Nachrichtenagentur dpa ab: Es sei sicherheitstechnisch kontraproduktiv. Die Atomaufsicht will den Plan aber weiter verfolgen und stützt sich dabei auf ein Gutachten des Öko-Instituts Darmstadt. Außerdem setzt sich das Ministerium für eine bundesweit gültige Verordnung ein, in der Vorgaben für einen sicheren AKW-Betrieb gemacht werden. Diese Verordnung soll bindender sein als die bisher bestehenden Regeln.

In den vergangenen Wochen gab es Debatten darüber, was der Meiler-Stillstand für das Land generell bedeutet. Die CDU kritisiert unter anderem, dass dem Haushalt Millionen-Einnahmen verloren gehen, etwa durch die Oberflächenwasserabgabe, die AKW bei Betrieb leisten müssen. Das Sozialministerium erklärte dazu, die Einnahmen würden nur verschoben: Durch den jetzigen Stillstand verlängern sich die Restlaufzeiten der Alt-Meiler.

Parallel zur Ausschusssitzung meldete die Internet-Seite „Contratom“, es gäbe einen Antrag für ein neues Atomkraftwerk in Brunsbüttel. Dies ist falsch: Zurzeit geht es in der Stadt am Kanal nicht um Atom, sondern um Kohle. Die örtlichen Gremien beraten Anträge für ein Kohlekraftwerk, wie der Vorsitzende der „Wählerinitiative für reelle Politik“ (WIR), Kai Schwonberg, bestätigte. Geplant sind demnach drei Werke mehrerer Anbieter, darunter ein 800 Megawatt starkes Steinkohlekraftwerk der belgischen Firma Electrabel sowie ein auf 2.800 Megawatt ausgerichtetes Werk des Tübinger Unternehmens Südweststrom. Interessiert am Standort sei auch die Gesellschaft für Energietechnik und -management, Getec.