„Unkomplizierter als mit der SPD“

Die erste schwarz-grüne Koalition auf Länderebene hat gestern eine wichtige Hürde genommen. Im taz-Interview erklärt Bremens früherer grüner Umweltsenator Ralf Fücks Chancen und Risiken eines Hamburger Bündnisses zwischen CDU und GAL

RALF FÜCKS, 56, ist im Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung und war bis 1995 Bremer Senator für Stadtentwicklung und Umwelt

INTERVIEW MARCO CARINI

taz: Herr Fücks, welche Chancen bietet Schwarz-Grün?

Ralf Fücks: Die Grünen müssen sich diese Möglichkeit der Regierungsbeteiligung erschließen. Es wäre fatal, wenn sie ausschließlich in Richtung Linksbündnis gehen und sich als Blockpartei aufstellen. Schwarz-Grün kann einen Reiz haben, wenn es zu einem Brückenschlag zwischen Umweltbewegung und Handelskammer führt – zu einer ernsthaften Politik ökologischer Innovation. Und es muss auch eine Öffnung Hamburgs geben in Richtung Weltoffenheit, Integration und liberale Migrationspolitik. Dabei geht es nicht darum, dass beide Parteien miteinander fusionieren, sondern nur ausloten, was man gemeinsam in Bewegung bringen kann. Koalitionen sind kein gemeinsames politisches Projekt – sie sind nur eine Vereinbarung auf Zeit.

Das klingt anspruchsvoll.

Mit der CDU könnte eine Koalition unkomplizierter sein als mit der SPD, weil sich beide Parteien nicht um die gleiche Wählerschaft balgen und die Themenkompetenzen klarer voneinander abgegrenzt sind.

Wie sind die bisherigen Erfahrungen mit Schwarz-Grün auf kommunaler Ebene?

Ob Köln, Kiel oder Frankfurt: Wir haben vielfältige Erfahrungen mit schwarz-grüner Zusammenarbeit. Bei all diesen Koalitionen gibt es eine ermutigende Gemeinsamkeit. Der Umgangsstil war stärker von Verlässlichkeit und Respekt geprägt, als das oftmals bei Rot-Grün der Fall war. Die beiden sind sich zu nah, um professionell und distanziert zusammen zu arbeiten. Vereinbarungen mit der SPD haben sich deshalb oft als weniger tragfähig erwiesen und es herrschte mitunter ein unangenehmes Reizklima in rot-grünen Koalitionen.

Die Legitimationsschwelle gegenüber der eigenen Basis liegt für die Grünen bei Schwarz-Grün sehr hoch.

Ja, aber die GAL sollte sich dadurch nicht in eine Falle treiben lassen. Wenn man die Erwartungen an eine solche Koalition überfrachtet, setzt man die Fraktion und die Senatoren der GAL unter einen Überdruck, der zu einer ständigen Konfliktkoalition führt. Das birgt die permanente Gefahr in sich, dass sie auseinander bricht und jede Mitgliederversammlung zu einer Zitterpartie wird. Die GAL braucht jetzt ein gewisses Maß an Nüchternheit und Gelassenheit. Sie kann in der jetzigen Situation sicher mehr durchsetzen, als das ihrem knapp 10-prozentigem Wahlergebnis entspricht. Aber es wäre vermessen zu glauben, die Grünen würden jetzt die Richtlinien der Hamburger Politik bestimmen und könnten einen kompletten Politikwechsel herbeiführen. Aber Richtungsänderungen in der Bildungs-, Umwelt- und Migrationspolitik muss es schon geben.

In Hessen Zusammenarbeit mit der Linkspartei, in Hamburg Koalition mit der CDU – ist dieser Spagat der grünen Wählerbasis vermittelbar?

Die SPD kann hier mit der Union, da mit der FDP und dort mit der Linken paktieren. Diese Freiheit müssen sich die Grünen auch nehmen und sich dabei nicht über Koalitionen, sondern über ihr programmatisches Profil definieren. Sie sind der Motor einer ökologischen Erneuerung, stehen für Bürgerrechte, Chancengerechtigkeit im Bildungssystem, die Freiheit von Minderheiten und die Integration von Migranten. Das macht sie nach wie vor zu einer besonderen Partei.

Trotzdem muss die GAL jetzt in Kauf nehmen, dass viele Anhänger ihr den Rücken kehren.

Jede Häutung der Grünen war auch mit Trennungen verbunden. Es wird Abgänge geben, aber nicht zu einer Spaltung kommen. Das Ziel muss sein, die Mitglieder durch Ergebnisse von Koalitionsverhandlungen und die praktische Politik in der Regierung zu überzeugen, dieses Experiment mitzutragen.

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