Klimaschutz mit Kohlekraft

FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander lädt die Energieversorger zum Bau von Kohlekraftwerken in Niedersachsen ein. Das bringt die Opposition auf die Palme: Der Ressortchef sei „Klimakiller Nummer eins“, hieß es bei den Grünen

Schwarz-Grün an der Elbe, Rot-Rot-Grün in Hessen: Die sich abzeichnenden Koalitionen in den beiden Bundesländern bedeuten für den Mann von der FDP wenig Gutes. Auch für die dort geplanten Kohlekraftwerke. „Moorburg könnte in Frage gestellt werden“, sagte Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander am Donnerstag mit Blick auf das umstrittene Hamburger Projekt. Dass die Energieversorger nun ihre Planungen Richtung Niedersachsen verlagern könnten, würde Sander begrüßen. „Jedes neue Kraftwerk ist besser als ein altes“, sagte Sander, dessen Haus seit kurzem auch den Namen Klimaschutzministerium führt. Gleichzeitig bot er Niedersachsen als potenziellen Standort an, um „Energieland Nummer eins“ zu werden.

Ob Rumänien, Hamburg – oder eben Niedersachsen: Den Standort der wegen ihres Kohlendioxidausstoßes und möglicher Gesundheitsgefahren für die Anwohner umstrittenen Stromerzeuger hält Sander für vernachlässigbar. Schließlich deckle der immer strengere Handel mit Emissionsrechten den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen auf EU-Ebene.

Sieben Kohlekraftwerke sind derzeit zwischen Elbe und Ems geplant, für Sander könnten es ruhig noch mehr werden: Der Ausbau erneuerbarer Energien ist für ihn kein Ausgleich für die drohende Schließung von Atomkraftwerken: „Jedes neue Kohlekraftwerk mit einem besseren Wirkungsgrad ist auch ein Gewinn für die Umwelt.“

Das Angebot an die Energieversorger brachte die Opposition umgehend auf die Palme: Sander sei „Klimakiller Nummer eins“, sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Auch bei den erneuerbaren Energien lege Sander „eine Vollbremsung ein“. Die von ihm angekündigte Erhöhung von derzeit 17 auf 25 Prozent bei der Stromerzeugung bis zum Jahr 2020 mache ein Wachstum von gerade mal drei Prozent jährlich aus, rechnete Wenzel vor. Während Sander offenbar nur noch wenig Potenzial in Bioenergie, dem Bau von Offshore-Windanlagen vor der Küste und die Umrüstung bestehender Windmühlen mit neuen Techniken setzt, halten die Grünen einen Anteil von 50 Prozent Öko-Energie bis 2020 für machbar: Immerhin sei die Branche in den vergangenen Jahren durchschnittlich um rund 13 Prozent gewachsen, sagte Wenzel: „Ohne Sanders Zutun würde sich die Branche dynamischer entwickeln.“

Schon in den vergangenen fünf Jahren habe sich der Umweltminister „hartnäckig geweigert“, das Thema Klimaschutz „überhaupt zur Kenntnis zu nehmen“, ärgerte sich die SPD-Umweltexpertin Petra Emmerich-Kopatsch. Zwar wolle er nun bis zum Ende des Jahres ein Klimaschutzprogramm vorlegen, aber damit sei Niedersachsen Schlusslicht. Während es in anderen Bundesländern längst konkrete Programme zum Klimaschutz gebe und erneuerbare Energie sichere Arbeitsplätze schaffen würde, „verharrt die niedersächsische Landesregierung im Dornröschenschlaf“, sagte Emmerich-Kopatsch. Dass Sander ankündigte, die Mittel für den Küstenschutz von derzeit 60 auf 70 Millionen Euro zu erhöhen, hält sie für viel zu wenig. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) habe 2006 rund 300 Millionen Euro für den Klimaschutz versprochen. Bis heute sei im Haushalt nichts eingestellt worden.

Immerhin: Die Opposition begrüßte die Einrichtung einer Klimaschutz-Kommission. Mit Vertretern aus Wirtschaft, Handwerk und Umweltverbänden soll sie zum Beispiel Programme für die energiesparende Sanierung von Häusern erarbeiten.KAI SCHÖNEBERG