Kapitalisten aus Gütersloh

Bertelsmann wird seit Jahren immer heftiger kritisiert. Das ist auch richtig so. Werner Biermann und Arno Klönne fügen der bekannten Kritik jedoch wenig Originelles hinzu

In jüngster Zeit ist ein Anti-Bertelsmann-Buch nach dem anderen erschienen. Im Internet gibt es zwei der Bertelsmann-Kritik gewidmete Plattformen. Und jetzt noch ein Bertelsmann-Verriss? Um es gleich zu sagen: Das Bändchen von Biermann und Klönne hat den gegen den Gütersloher Stiftungskonzern kursierenden Vorwürfen nichts Neues hinzuzufügen. Wo es um Recherchearbeit geht, beschränken sich Biermann/Klönne – offenbar ganz bewusst – darauf, breit aus den jüngeren Publikationen zu zitieren. Ihrer Zitatensammlung fügen sie lediglich eine etwas unoriginelle Analyse hinzu: Ja, die Arbeit der Bertelsmann Stiftung dient der Verteidigung der Kapitalinteressen. Wer hätte das gedacht.

Es ist allerdings unter anderem der Aufklärungsarbeit der Bertelsmann-Kritiker zu verdanken, dass Bertelsmann endlich seinen Ruf verloren hat, irgendwie emanzipatorisch oder gar links oder jedenfalls nicht bloß neoliberal zu sein. Der Aufstieg zum Weltkonzern und das Ende der innerdeutschen Konkurrenz zur Kirch-Gruppe als konservativem Gegenpol taten dabei ein Übriges.

Doch gerade weil sich jetzt herumgesprochen hat, dass etwa die Einführung von Studiengebühren stark mit der entsprechenden Lobbyarbeit der Bertelsmann-Ausgründung CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) zu tun hat, wird es dringend Zeit, sich genauer anzusehen, wie denn die Vorschläge und Forderungen aus der Denkfabrik des Konzerns ihren Weg zur politischen Umsetzung finden. Wann genau hat der erste maßgebliche Politiker angebissen? Welche besondere konzeptuelle Schwäche welcher Partei konnte ausgenutzt werden, um sie mit Ideengut der rund dreihundert Bertelsmann-Denker zu füllen?

Es reicht eben nicht, festzustellen, dass sich Bertelsmann-Vorschläge in rot-grünen oder schwarz-roten Agenden wiederfinden. Diese bestanden und bestehen schließlich großenteils aus Forderungen vor allem der Arbeitgeberverbände – die Frage ist meist nur eine der Konkretion. Was an der Bertelsmann Stiftung besonders aufregt, ist allerdings ihr Anspruch der Wissenschaftlichkeit und Qualitätssicherung nach internationalen Standards. Im Großen und Ganzen erreichen die Konzepte der Bertelsmann Stiftung dadurch immerhin ein höheres Niveau als etwa die des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) oder des VW-Betriebsrats. Das macht die Auseinandersetzung mit Deutschlands wichtigstem „Thinktank“ schwieriger. Klar, vor allem aber muss sie über den „Wolf im Schafspelz“-Vorwurf hinausgehen. Bei Biermann/Klönne jedenfalls sollte sie nicht stehen bleiben.

ULRIKE WINKELMANN

Werner Biermann, Arno Klönne: „Agenda Bertelsmann. Ein Konzern stiftet Politik“. PapyRossa Verlag, Köln 2007, 140 Seiten, 11,90 Euro