Die Lust an der Anti-Ästhetik

Mit knalliger Körperlichkeit beendet „T.R.A.S.H.“ das diesjährige „Tanz Bremen“-Festival. Dessen Zukunft ist gesichert

Schon bei der Eröffnung von „Tanz Bremen“ hatte Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) versprochen, das Fortbestehen des in der Vergangenheit vielfach gebeutelten Festivals sei gesichert. Eine Woche später weist der Zuschauerzuspruch in dieselbe Richtung.

Das Festival verzeichnet eine Auslastung von fast 90 Prozent – sowohl bei den internationalen Gastspielen als auch bei den bemerkenswert zahlreichen lokalen Produktionen. Nur „T.R.A.S.H.“ hatte einen schlechten Vorverkauf. Die in der Tilburger Rock- und Hausbesetzerszene beheimatete Compagnie tut auch wirklich alles, um einem breiteren Publikum nicht zu sehr zu gefallen. Da wird geschubst und geprügelt, wirr geredet und manchmal auch getanzt – eine durchaus produktive Mischung.

Ihre Spannung bezieht sie zu einem gut Teil aus der Konfrontation mit der extrem kontrollierten Emotion des klassischen Gesangs vom Bühnenrand. Die vorgeführten Role Models sind grundverschieden. Lucie Petrusová übernimmt den Puppen-Part: Sie lässt sich wirbeln, schleudern, schlagen.

Tegest Pecht Guido hingegen liefert als völlig vertrashte Crazy Person eine autonome Perfomance. Normgerechte Weiblichkeit gehört ebenfalls zu ihrer Spielmasse, aber derart overdone, dass sie ihre austobsüchtigen Kollegen mit bloßen Blicken von der Bühne fegt – die sie als Einzige auch allein zu füllen vermag. Der stärkste Moment entsteht freilich, als sich aus dem trashigen Gewusel ein synchron getanztes choreographisches Dreieck kristallisiert – ein unvermutetes Aufscheinen der strengen ästhetischen Form inmitten all der Lust an Zuckung und Fieberkrampf.

Sicher: Das Stück hätte um die Hälfte kürzer sein können, ohne an spezifischer Substanz zu verlieren. Trotzdem hätte man noch länger zuschauen mögen. HB