Sieg fürs Geschichtenbuch

Stefan Holm überspringt in Valencia 2,36 Meter und wird zum vierten Mal Hallen-Weltmeister. Allzu oft will er die Latte nicht mehr überqueren. Nach den Olympischen Spielen hört der Schwede auf

AUS VALENCIA SUSANNE ROHLFING

Seine Mission lautet: Erfolge sammeln. Daran lässt Stefan Holm keinen Zweifel. „Zu gewinnen ist nicht das Wichtigste, es ist das Einzige“, schreibt der schwedische Hochsprung-Olympiasieger auf seiner Internetseite. In diesem Sinne hat der 31-Jährige am Samstagabend im Palau Velodromo Luis Puig in Valencia mal wieder seine Mission erfüllt. Holm flog über 2,36 Meter und wurde zum vierten Mal nach 2001, 2003 und 2004 Hallen-Weltmeister. Er verwies Titelverteidiger Yaroslaw Rybakow (2,34) aus Russland auf Rang zwei. Schon am nächsten Morgen hatte Holm in einer akribisch geführten Statistik im Netz festgehalten, dass es im direkten Vergleich zwischen ihm und Rybakow jetzt folgendermaßen steht: 46 Siege für Holm, 22 Siege für Rybakow, 7 Unentschieden.

„Ich bin absolut zufrieden und sehr glücklich“, so das Fazit des Schweden. Er hatte gegen Rybakow mal wieder seine große Stärke ausgespielt: Nerven wie Drahtseile. Die beiden Kontrahenten pokerten und patzten um die Wette – mit dem glücklicheren Ende für Holm.

Zweikämpfe faszinieren Holm. Aus ihnen zieht er seit Kindertagen Energie. Seine ersten Jahre in der mittelschwedischen Kleinstadt Kil beschreibt er auf seiner Internetseite munter und teils urkomisch. Holm erzählt gern Geschichten. Beinahe ist es, als würde man ein modernes Kapitel des Kinderbuchklassikers „Wir Kinder aus Bullerbü“ entdecken. Stefan Holm und sein Sandkastenfreund Magnus Lundqvist entdecken da die Welt des Sports. Sie verfolgen Fußball-Weltmeisterschaften und Olympische Spiele. Erste Hochsprung-Erfahrungen sammeln sie 1980 – da ist Holm vier Jahre alt – auf einem Sofa. Das endet für den kleinen Magnus allerdings mit einem gebrochenen Arm. Und dann ist es Lundqvist, der 1985 etwa eine Minute vor Holm 1,20 Meter bewältigt. Damals spielen beide Jungs auch mit viel Freude Fußball, es sollte noch bis 1991, bis zu seinem ersten Titel als schwedischer Jugend-Meister, dauern, bis Holm begann, sich ausschließlich auf den Hochsprung zu konzentrieren. Er fing an, von den zwei Metern zu träumen. Und? „Tja, so um 11.15 Uhr am 21. Dezember blieb die Latte bei der magischen Höhe liegen – im Training“, schreibt Holm.

Die sportliche Erfolgsgeschichte des mit 1,81 Metern ungewöhnlich kurz geratenen Hochspringers könnte allerdings im Olympiajahr 2008 enden. Das stimmt selbst ihn, der im Wettkampf immer hochprofessionell und konzentriert und danach meist lustig und wortgewandt auftritt, ein wenig sentimental. „Das ist wahrscheinlich meine letzte Saison, also war das vielleicht auch meine letzte Hallen-WM“, sagt Holm. „Ich bin ein alter Mann und ich werde definitiv 2012 in London nicht mehr dabei sein.“ Es gebe keinen Grund, nach Peking weiterzumachen. „Wenn ich Wettkämpfe bestreite, muss ich das Gefühl haben, gewinnen zu können.“

Noch kann er gewinnen. Davon ist Agne Bergvall überzeugt. Der schwedische Trainer, der Mehrkampf-Superstar Carolina Klüft zu ihren Triumphen führte und Holm in Valencia betreute, sagt: „Stefan ist nicht zu alt.“ Den Sieg bei der Hallen-WM deutet er als ein „sehr gutes Zeichen“ für die Olympischen Spiele im Sommer in Peking: „Das gibt Stefan Sicherheit und Freude.“ Mit jetzt vier Hallen-WM-Titeln und zwei Hallen-EM-Titeln im Vergleich zu einmal Olympiagold und einmal WM-Silber unter freiem Himmel haftet Holm der Mythos des Hallenspezialisten an. Bergvall hält das für eine Fehlinterpretation. „Ich glaube, es ist eher so, dass Stefans Gegner in der Halle schlechter sind als draußen.“ Holm sei immer gut. „Psychisch ist das alles sehr anstrengend, es ist ein hartes Leben.“ Immer wieder trainieren, immer wieder voll konzentriert sein, immer wieder starke Nerven haben zu müssen.

Aber ein paar Ziele blieben Holm noch: Eine zweiter Olympiasieg. Der schwedische Rekord von Sjöberg (2,42 m). Die stilisierte Messlatte, die Holms Internetseite einrahmt, reicht vorsorglich schon mal bis 2,43 Meter. Und dann gibt es noch einen dritten Punkt auf der To-do-Liste: „Eine größere Familie“, sagt Bergvall. Eine Tochter hat Holm bereits. Aber er träumt wohl von einer eigenen Bullerbü-Bande. Dann kann er weiter Geschichten erzählen.